Kultur

Berlinale: Liebesprosa "aus dem Hause Österreich"

Traditionellerweise wird auf der Berlinale gerne über den Hauptwettbewerb gemeckert. Doch heuer muss man – bei aller Kritikfreudigkeit – zum Halbfinale der Filmfestspiele zugeben, dass sich einige starke Beiträge im Hauptprogramm finden.

So hat sich Festivalchef Dieter Kosslick, der gerne deutsche Wettbewerbsfilme ins Programm hievt, heuer auf einen einzigen deutschen Film beschränkt: "24 Wochen", ein intensives Abtreibungsdrama der jungen Regisseurin Anne Zohra Berrached, lässt Schauspielerin Julia Jentsch durch die emotionale Hölle gehen.

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Jentsch spielt eine erfolgreiche Kabarettistin, die erfährt, dass ihr ungeborenes Kind am Down-Syndrom leidet. Zuerst entscheidet sie sich für das Baby, doch als die Diagnose eines Herzklappenfehlers hinzukommt, ändert sie im siebenten Monat Schwangerschaft ihre Meinung.

Berrached taucht tief in die Gefühlswelt ihre Protagonistin ein und sieht auch nicht weg, als es zum finalen medizinischen Eingriff kommt. Ein sichtlich ergriffenes Publikum schnäuzte sich gerührt ins Taschentuch, und auch die deutsche Filmkritik zeigte sich von der Eindringlichkeit des Dramas vielfach begeistert – die amerikanische allerdings schon weniger: Sie sprach von einem flachen, wenig nuancierten Fernsehfilm.

"Tja", lacht ein deutscher Kollege über dieses Urteil, "sogar für den liberalsten Amerikaner ist das Thema Abtreibung zu heftig."

In jedem Fall bleibt "24 Wochen" der einzige deutsche Beitrag im Wettbewerb – sehr zum Gram der deutschen Beobachter ihrer heimischen Filmszene. Zwar betonte Kulturstaatsministerin Monika Grütters, dass 151 Produktionen mit deutscher Beteiligung im Filmfestival liefen. Doch der Trost der Internationalisierung durch deutsche Teilfinanzierung wirkt nur bedingt. Und sagt auch noch nichts über die Qualität der Filme aus.

Postkarten gegen Hitler

Die Verfilmung des berühmten Hans-Fallada-Romans "Jeder stirbt für sich allein" von 1947 wäre eigentlich ein Anlassfall für deutsches Kino in deutscher Sprache gewesen. Stattdessen läuft es unter dem Titel "Alone in Berlin" im Wettbewerb. Der Schweizer Vincent Perez führte Regie, produziert wurde von Deutschland, Frankreich und den USA. In den Hauptrollen spielen, eindeutig mit Blick auf den internationalen Markt, zwei Briten.

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Immerhin, es sind Kaliber wie Emma Thompson und Brendan Gleeson, die als Ehepaar Anna und Otto Quangel in Berlin von 1940 Widerstand leisten. Fallada hatte in seinem letzten Roman Otto und Elise Hampel ein Denkmal gesetzt. Die beiden protestierten nach dem Tod ihres Sohnes mittels Postkarten gegen das Hitler-Regime und wurden mit dem Fallbeil hingerichtet.

In "Alone in Berlin" ist die Sprache des Films Englisch mit verschiedenen Akzenten – unter anderem des von Daniel Brühl in der Rolle eines Kommissars. Aber auch wenn Thompson und Gleeson nicht als Berliner Ehepaar durchgehen: Gerade die Szenen, in denen sie im deprimierenden Licht ihrer trüben Wohnung ihre Schritten planen, geraten dicht.

Bachmann und Celan

Keine deutsche, sondern dezidiert österreichische Sprache wollte die Filmemacherin Ruth Beckermann in ihrer feinfühligen Arbeit "Die Geträumten" verwenden.

Beckermann inszenierte den Briefwechsel zwischen dem Holocaust-Überlebenden und Dichter Paul Celan, Verfasser der berühmten "Todesfuge", und der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann. Die beiden hatten sich 1948 in Wien kennengelernt und eine Beziehung begonnen.

Sie sei an keinem historischen Spielfilm interessiert gewesen, erzählte Beckermann, bekannt als Dokumentaristin, beim Publikumsgespräch. Stattdessen ließ sie die Musikerin Anja Plaschg (von Soap & Skin) mit Burgschauspieler Laurence Rupp im Wiener Funkhaus die Briefen lesen. Die emotionale Schönheit der Texte trifft auf die Sensibilität von Plaschg und Rupp – und verankert große Liebesprosa "aus dem Hause Österreich" (Beckermann) in der Wiener Gegenwart.