Kultur

Berlinale eröffnet: Die skurrile Welt von gestern

Mit Wes Andersons famosem „Grand Budapest Hotel“ eröffnete Donnerstag die 64. Berlinale. Damit sicherte sich Festivalchef Dieter Kosslick nicht nur einen superben Auftaktfilm für seinen Hauptwettbewerb (in der Jury sitzt der Österreicher Christoph Waltz), sondern auch ein beträchtliches Star-Aufgebot für den roten Teppich. Endlich herrschte einmal nicht Eiseskälte, wie sonst üblicherweise auf der Berlinale. Stattdessen konnte die Prominenz entspannt bei milden Temperaturen über den Potsdamer Platz schreiten.

Alle Inhalte anzeigen
US-Regisseur Anderson hatte fast sein gesamtes Ensemble im Gepäck – und das reichte von illustren Brit-Stars wie Ralph Fiennes und Tilda Swinton bis zu Hollywood-Veteranen Jeff Goldblum, Bill Murray, Edward Norton und Willem Dafoe. Sie alle und noch viele mehr spielen mit in Andersons neuer, pastellfarbiger Preziose, die kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges angesiedelt ist. Übrigens: Auch Karl Markovics zählt zu der erlesenen Spielrunde und liefert einen witzigen Überraschungsauftritt als angestaubter Knastbruder im Streifenhemd.

(Runterscrollen um weiterzulesen)

Auflauf der Stars in Berlin

Alle Inhalte anzeigen

Stefan Zweig

Alle Inhalte anzeigen
Inspiriert von den Werken Stefan Zweigs, heißt es im Abspann von „Grand Budapest Hotel“ (Kinostart: 7. März). Nicht umsonst liegt das alte Grandhotel irgendwo in Osteuropa und atmet den Glanz der Welt von gestern. Im Zentrum steht ein gschaftiger Ralph Fiennes in seiner Rolle als Monsieur Gustave, der als umtriebiger Concierge nicht nur die Damen jenseits der 80 rundherum zufriedenstellt, sondern auch ein strenges Regiment unter den Dienstboten führt. Ihm direkt unterstellt ist ein junger Page namens Zero, der bald auch als Gustaves Komplize in einem spektakulären Kunstraub auftritt.

Anderson baut die für ihn so typischen, wunderbar symmetrischen Bilder oftmals in schreienden Farben. Seine Tableaux sehen aus wie die sorgfältig eingerichteten Räume eines riesigen Puppenhauses – oder eben eines Grandhotels. Darin bewegen sich die Figuren mit der skurrilen Würde erwachsener Kinder oder kindlicher Erwachsener. Je nachdem.

Alle Inhalte anzeigen
Monsieur Gustave spricht immer mit ausgesuchter Höflichkeit, unabhängig davon, ob er mit Gräfinnen oder Gefängnisinsassen verkehrt. Als ihn die gierige Verwandtschaft einer 84-jährigen Ex-Geliebten (exquisit hässlich: Tilda Swinton) um sein Erbe bringen möchte, stiehlt er kurzerhand ein unbezahlbares Renaissance-Gemälde. Die Verfolgungsjagd, die danach einsetzt, ist tragisch und komisch zugleich. Willem Defoe etwa tritt als Schläger auf, der aussieht wie eine Mischung aus Mad Max und Graf Dracula.

Anderson temperiert seinen fein ziselierten Humor mit Pathos, seine Ironie mit echter Anteilnahme. So witzig ein Ed Norton als Polizist im grauem Nerz auch aussehen mag, die Horden deutscher Nazis hinter seinem Rücken sprechen eine klare Sprache. Und so nonchalant Gustave als wackerer Held einer verlorenen Zeit erzählt wird, so klar wird auch von seinem brutalen Ende berichtet. Monsieur Gustave und seine Welt von gestern schließt der Erzähler am Ende traurig: Diese Welt war bereits verschwunden, bevor Gustave sie noch betreten konnte.

Alle Wettbewerbsfilme der Berlinale

Alle Inhalte anzeigen

In memoriam Philip Seymour Hoffman und Maximilian Schell zeigt die 64. Berlinale die Filme "Capote" (11. Februar) und "Meine Schwester Maria" (9. Februar) in Sondervorführungen.

Hoffman, der vor vier Tagen tot in seiner Wohnung gefunden wurde, war 2006 als Truman Capote im Wettbewerb der Berlinale zu sehen und hatte danach auch den Oscar als bester Hauptdarsteller für den Film gewonnen. Mit der filmischen Hommage werde Hoffman "da sein, unter uns", hatte Schamus im Vorfeld der Festival-Eröffnung gesagt.

Schell, der einen Tag vor Hoffman verstarb, erhielt 1962 für seine Rolle in "Das Urteil von Nürnberg" einen Oscar und war 1998 in "Left Luggage" im Berlinale-Wettbewerb zu sehen. In seinem Filmporträt "Meine Schwester Maria" reflektiert er die Beziehung zu seiner Schwester.