Belvedere: Mit Klimt gegen Einbahnstraße
Von Michael Huber
Die Touristen werden es lieben. Eben noch im Barockpalais, werden sie beim Gang durch die edle Holztüre unversehens in die Secession gebeamt, mitten in die Beethoven-Ausstellung des Jahres 1902.
Gustav Klimts Beethovenfries, der sonst im Secessionsgebäude zu bestaunen ist, hängt im Unteren Belvedere nun so, wie es das Gesamtkunstwerk-Konzept einst vorsah: Das Museum hat das Raum-Arrangement von Klimts kongenialem Partner Josef Hoffmann rekonstruiert, mit seinen Durchblicken, gepolsterten Sitzbänken und eigenartigen Nischen. Der Raum wirkt gewöhnungsbedürftig - aber er wirkt.
Der Kurator und Klimt-Experte Alfred Weidinger hatte allerdings keinen Themenpark zu "Wien um 1900" im Sinn. Hoffmann und Klimt, diese "Pioniere der Moderne" (so der Untertitel der Schau), hatten stets das Ganze vor Augen - bei aller Unterschiedlichkeit, so Weidinger, trafen sie sich bei "ihrer Vorliebe für das Kunstgewerbe und der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Raum".
Personalisierte Kunst
Die so schlüssige wie sinnliche Präsentation fährt gegen eine scheinbare Einbahnstraße des Museumswesens: Normalerweise werden Kunstwerke im Museum ihrem privaten Verwendungszusammenhang entrissen und neutralisiert. In der Belvedere-Schau werden die Zusammenhänge rekonstruiert, wird die Kunst personalisiert: Josef Hoffmanns Sofa, auf dem Klimt die Großbürgerin Fritza Riedler 1906 porträtierte, ist ebenso zu sehen wie das Ensemble aus Möbeln und Wandtapeten, das Hoffmann rund um Klimts Bildnis der Hermine Gallia (1903/'04) in deren Wohnung realisierte.
Die Inszenierung gipfelt in der 1:1-Nachbildung der marmornen Eingangshalle des Palais Stoclet in Brüssel.
Das Gebäude, in dem Hoffmann die Vision eines durchkomponierten Gesamtwerks umsetzte, ist heute nicht mehr öffentlich zugänglich.
Nachbau
Das Belvedere-Simulakrum versprüht zwar einen Hauch von Las Vegas, schafft es aber doch, den Geschmack und das Selbstverständnis der Mäzene jener Zeit begreifbarer zu machen. Viel gibt es über jene Periode noch zu erfahren - das "Klimt-Jahr" 2012, in dem das 150. Geburtsjubiläum des Malers gefeiert wird, ist im Belvedere jedenfalls schon vorab würdig gestartet.
INFO:
Gustav Klimt/Josef Hoffmann.
Pioniere der Moderne:
Bis 4.3.2012,
Unteres Belvedere.