Bachmann-Preis: "Es gibt keine taktischen Abstimmereien mehr"
Mit Helena Adler, Anna Felnhofer, Robert Prosser und Mario Wurmitzer sind je zwei Autorinnen und Autoren aus Österreich beim Wettlesen um den 47. Ingeborg-Bachmann-Preis mit dabei. Zur Eröffnung am 28. Juni hält Tanja Maljartschuk die Klagenfurter Rede zur Literatur. Die Preisvergabe am 2. Juli wird von der Jury mittels Vergabe von Wertungspunkten und nicht in Abstimmungsrunden entschieden. Die Moderation übernimmt Peter Fässlacher (ORF III) - er folgt auf Christian Ankowitsch.
Sieben Autorinnen und sieben Autoren lesen um den mit 25.000 Euro dotierten Bachmann-Preis, den Deutschlandfunk-Preis (12.500 Euro), der Kelag-Preis (10.000 Euro), den 3sat-Preis (7.500 Euro) sowie den mit 7.000 Euro dotierten und mit dem Stadtschreiberstipendium verbundenen BKS Bank-Publikumspreis.
Die Teilnehmer aus Österreich sind allesamt keine Unbekannten in der Literaturszene. Die Salzburgerin Helena Adler kam sowohl mit „Die Infantin trägt den Scheitel links“ (2020) als auch mit „Fretten“ (2022) auf die Shortlist für den Österreichischen Buchpreis. Die Wienerin Anna Felnhofer erhielt 2021 für ihren Debütroman „Schnittbild“ den Franz-Tumler-Literaturpreis und war für den Debütpreis nominiert. Von dem mehrfach ausgezeichneten gebürtigen Tiroler Robert Prosser ist im Frühjahr mit „Verschwinden in Lawinen“ sein bereits siebentes Buch erschienen, und auch der Niederösterreicher Mario Wurmitzer machte bereits mit Büchern und einigen Theaterstücken auf sich aufmerksam.
Aus Deutschland kommen der in Charkiw geborene Lyriker, Übersetzer und Herausgeber Yevgeniy Breyger, Valeria Gordeev, die im Vorjahr mit Auszügen aus ihrem Debütroman „Die Zikade entschlüpft ihrer goldglänzenden Hülle“ den oberösterreichischen Literaturbewerb „Floriana“ gewann, Anna Gien, Sophie Klieeisen, Martin Piekar, Andreas Stichmann sowie Deniz Utlu, dessen Roman „Vaters Meer“ im August bei Suhrkamp erscheint. In Frankreich geboren wurde der in Berlin lebende Spoken-Word-Künstler Jayrôme C. Robinet, aus London stammt die in Berlin lebende britische Autorin, Bloggerin und Kolumnistin Jacinta Nandi. Einzige Teilnehmerin aus der Schweiz ist die freie Theaterschaffende Laura Leupi.
Sowohl die Lesungen wie auch die Jurydiskussionen werden heuer wieder im ORF-Theater durchgeführt werden. Im vergangenen Jahr war im Garten gelesen und im Saal diskutiert worden, worüber speziell die Jury nicht glücklich gewesen sei, hieß es am Mittwoch. Programmpunkte, wie die Auslosung der Lesereihenfolge, möchte man aber weiterhin im Garten durchführen.
Der Park werde übrigens nach Ingeborg Bachmann benannt, erklärte der Klagenfurter Bürgermeister Christian Scheider (Team Kärnten). Termin, wann das Elternhaus von Bachmann als Museum eröffnet werden kann, gebe es noch keinen: „Da muss sehr viel umgebaut und aufbereitet werden.“
Umbesetzungen und Neuerungen
Wie bereits bekannt, ersetzen die Kulturwissenschafterin, Journalistin und Schriftstellerin Mithu Sanyal („Identitti“) aus Deutschland sowie der Schweizer Literaturwissenschafter und Kritiker Thomas Sträßle die ausgeschiedenen Jurymitglieder Vea Kaiser und Michael Wiederstein. Insa Wilke bleibt Vorsitzende der Jury, der wie bisher auch Mara Delius, Klaus Kastberger, Brigitte Schwens-Harrant und Philipp Tingler angehören. Während Wiederstein freiwillig ausgeschieden war, hatte der Ersatz für Vea Kaiser andere Gründe, wie Bachmann-Preis-Organisator Horst L. Ebner erklärte: „Der errechnete Geburtstermin für ihr Kind ist der 5. Juli. Auch wenn wir beim Bachmann-Preis schon viel erlebt haben, aber eine Livegeburt traue ich uns nicht zu.“
Die Ermittlung der Preisträger erfolgt heuer nach einem neuen Modus: „Zu Beginn der Preisvergabe am Sonntag werden die Jurymitglieder live ihre Wertungspunkte abgeben. Der Justiziar übernimmt die Aufgabe, diese Abstimmungsergebnisse zu addieren und erstellt daraus die Preisträgerliste des Bewerbes, die sukzessive beginnend mit dem 3sat-Preis bekannt gegeben wird“, erläuterte Ebner. „Damit bleibt die Spannung um die finale Vergabe des Ingeborg-Bachmann-Preises bis zum Schluss der Veranstaltung erhalten. Und es gibt auch keine taktischen Abstimmereien mehr.“
Die zum Auftakt gehaltene Klagenfurter Rede zur Literatur von Tanja Maljartschuk, der Bachmann-Preisträgerin des Jahres 2018, trägt den Titel „Hier ist immer Gewalt. Hier ist immer Kampf“. Ebner, der die Rede bereits im Voraus gelesen hat, zeigte sich „tief berührt“ davon: „Literatur hat ja mit Politik zu tun. Und die Rede ist eine wunderbare Kombination von Sprache und Sprachlosigkeit angesichts dessen, was in der Ukraine im Detail und überall auf der Welt passiert.“
Warum der 1986 in Villach geborene Fässlacher nach zehn Jahren Christian Ankowitsch (63) als Moderator der Tage der deutschsprachigen Literatur ablöst, begründete Ebner mit einer „Staffelübergabe“: „Dazu war es an der Zeit. Mit Peter Fässlacher haben wir einen spannenden jungen Mann.“ Überraschung sei der Wechsel aus seiner Sicht keine gewesen: Niemand habe den Bachmann-Preis so lange moderiert wie Ankowitsch, und die Moderatoren hätten ja schon öfter gewechselt.
Die Kosten für den Bachmann-Preis bezifferte ORF-Landesdirektorin Karin Bernhard mit insgesamt 550.000 Euro, was vor allem mit den Kosten für die Übertragung zusammenhänge: „Keiner bekommt großartige Gagen.“