Kultur

Autonomie verlangt nach High Heels: Karabulut mischt das Volkstheater auf

Im Wiener Volkstheater feiert am 29. März Tennessee Williams' "Endstation Sehnsucht" Premiere. Federführend ist Regisseurin Pinar Karabulut, die ihren Wien-Einstand in der letzten Spielzeit mit "Heimwärts" gab und von der Kritik nicht zuletzt für ihre Inszenierung von "Romeo und Julia" am Schauspiel Köln gelobt wurde. Karabulut ist vor allem für ihre grell-mutige Inszenierungsweise bekannt, mit der sie Gender-Stereotype aufbricht, Feminismus neu denkt und in denen sie sich selten ein Blatt vor den Mund nimmt.

Die New-Orleans-Gang

„Ich will diese ganze New-Orleans-Gang als starke Frauen zeigen.“ Gut gelaunt lächelt die Regisseurin über ihren tee hinweg, als sie von den Machtverhältnissen in "Endstation" erzählt. "Das ist der Versuch an dem Abend: autonome und selbstbewusste Frauen zu zeigen, die die ganze Virtuosität, die das Leben mit sich bringt, mitnehmen." Die dürfen scheitern, aber gebrochen sind sie nicht.

Karabulut setzt ganz auf das aktive Potenzial ihrer weiblichen Figuren und löst zugleich deren Femininität als vermeintliches Merkmal des Unterlegenseins auf. Denn in der 2019er-Version von Williams' Stück gibt es etwas wie klassisch weiblich und männlich nicht. Die Männer werden in High Heels über die Bühne laufen, "Stella und Stanley teilen sich die selbe Make-Up-Palette."

 

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Wenn es um Make-Up geht ist Karabulut mit der Debatte, gerade an Theatern, unzufrieden. Aussagen wie „Du kannst keine Feministin sein, wenn du geschminkt bist“, regen sie auf. Das habe nichts miteinander zu tun: „Ich kann meinen Arsch zeigen, ich kann meine Titten zeigen, ich kann mir fett Make-Up ins Gesicht schmieren und es trotzdem nicht gut finden, wenn mich ein Mann klein redet.“

Den Staub aufwirbeln

Es ist es das Spannungsverhältnis von männlicher Dominanz und veralteten Rollenbildern, das sie reizt. Sie will nicht erzählen, was schon hunderte vor ihr - Marlon Brando inklusive - über das geladene Dreieck von Blanche, ihrer jüngeren Schwester Stella und Stanley Kowalski erzählt haben, sondern den ganzen Staub einmal aufwirbeln und alle Stereotypen invertieren. Und sie lehnt es ab, Frauen flächendeckend auf der Bühne Gewalt auszusetzen und das mit einem Narrativ zu rechtfertigen. Für sie gäbe es andere Lösungen, die zudem zeigen „dass alle diesen Gewaltakt mitbekommen und die Gesellschaft ihn mitträgt.“

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Mit "Vollkaracho"

„Sie leben in einer Welt, wo es egal ist, wer hohe Schuhe trägt und wer nicht. Das ist ein anderes Schönheitsideal, durch das ein anderes Wertesystem entsteht“, so Karabulut. Und doch – selbst ein genderfluider Stanley bedient sich „alter“ Mittel, wie einer Vergewaltigung, um die Frau zu kontrollieren, die nicht in seinen Kosmos passt. Doch Karabulut möchte das nicht zeigen. „Ich kann das im Freud’schen Sinne schon verstehen, warum die eine Figur die andere vergewaltigt – aber was soll das.“

Ein ähnliches Konzept legte sie schon bei „Romeo und Julia“ (Schauspiel Köln 2017, Anm.) zugrunde. Da gab es keine hilflos verliebte Julia, die sich als letzten Ausweg in den Suizid begibt: Stattdessen Matriarchat und Selbstbestimmtheit, ein ganz bewusstes „mit Vollkaracho gegen die Wand.“ Das geht Hand in Hand mit einer knalligen Ästhetik, garniert mit Popkultur-Verweisen die alles in einen zeitgenössischen Kontext transferieren.

Warum ein zeitgemäßes Bild von Mann-Frau-Beziehungen nach High Heels verlangt, zeigt Karabulut ab 29. März im Volkstheater.