Auszeichnung für Karin Bergmann: Stehende Ovationen für rabiate Anständigkeit
Von Thomas Trenkler
Der Leporello des Burgtheaters signalisiert, dass eine Ära zu Ende geht: Gleich 28 Produktionen wurden oder werden im Juni „zum letzten Mal“ gezeigt, zwei weitere „zum vorerst letzten Mal“. Karin Bergmann, im März 2014 vom damaligen SPÖ-Kulturminister Josef Ostermayer als Cleaner aus der Pension geholt, nimmt erneut Abschied. Sie war 1986 mit Claus Peymann an die Burg gekommen (als Pressesprecherin), sie war unter Nachfolger Klaus Bachler Vizedirektorin – und sie ging 2010, weil ihr der Führungsstil von Matthias Hartmann nicht behagte. Nach dessen Entlassung durfte Bergmann die Scherben aufkehren – und das Burgtheater aus der größten Krise seiner Geschichte führen. Sie machte dies mit ruhiger Hand bei laufendem Betrieb.
Nach 4.252 Vorstellungen, davon 105 Premieren mit 42 Ur- und Erstaufführungen, nach fünf Einladungen zum Theatertreffen Berlin und 19 Nestroy-Preisen übergibt Bergmann die Burg nun an ihren Nachfolger Martin Kušej – mit nur schwer übertreffbaren Ergebnissen: In ihrer letzter Saison, die am 30. Juni endet, wurden rund zwei Millionen Karten verkauft. Und die Auslastung stieg auf 83 Prozent.
Haltung
Bergmann geht ab, wie es ihre Art ist: mit Understatement. Sie verzichtete auf eine Nabelschau in Form eines fetten Bilanz-Bilderbuchs. Und sie hätte sich wohl auch dagegen gesträubt, zum Ehrenmitglied des Burgtheaters ernannt zu werden. Das Team beantragte die Auszeichnung für Bergmann, die mit „rabiater Anständigkeit“ besteche, daher hinter deren Rücken, wie Claudia Kaufmann-Freßner am Mittwochnachmittag bei der Überreichung des Dekrets durch Sektionschef Jürgen Meindl pointiert berichtete. In ihrer Rede brach Bergmann vor Rührung fast die Stimme weg: Sie empfinde Dankbarkeit, dass sie vom Schicksal an dieses großartige Haus geführt worden sei – und sie dankte allen Mitarbeitern in allen „Gewerken“. Trotzig sagte sie: „Ich habe keinen Respekt vor Autoritäten, nur vor Kompetenz.“ Mit Einstellungen wie dieser wurde sie zum Vorbild für Christian Kircher: Er sei, sagte der Geschäftsführer der Bundestheaterholding, beeindruckt von ihrem andauernden Ringen um Haltung.
Als Laudator hatte sich Bergmann ihren Nachfolger ausgesucht. Martin Kušej erzählte von seinen Anfängen am Haus vor zwei Jahrzehnten – und der Unterstützung Bergmanns. Als er dann mit dem Residenztheater in eine erste Krise geschlittert sei, habe sie ihm „hammerhart die Leviten gelesen“. Später hätte sie dafür gesorgt, dass seine Wiederkehr an die Burg „wie ein Nach-Hause-Kommen“ gewesen sei. Und nun, an diesem heißen Nachmittag im Pausenfoyer, demonstrierten die beiden, wie gut eine Übergabe funktionieren kann.
Fast das halbe Burg-Ensemble, darunter Peter Simonischek, Michael Heltau, Elisabeth Orth, Sabine Haupt, Johannes Krisch, Maria Happel und Nicholas Ofczarek, sowie zwei Ex-Burgtheater-Direktoren (Gerhard Klingenberg und Achim Benning) spendeten stehend Beifall.