Auf Wirkung bedacht
Tanzperspektiven ist der Titel des neuen Ballettabends an der Wiener Staatsoper: Vier international renommierte Choreografinnen und Choreografen der mittleren Generation als Debütanten beim Wiener Staatsballett, eine Uraufführung und vom Orchester der Wiener Staatsoper unter Markus Lehtinen teilweise live gespielte Musik. Doch trotz dieser positiven Vorzeichen und hervorragender Tänzerleistungen blieb der Abend hinter den Erwartungen zurück.
Zu ähnlich sind die Choreografien, fast alle auf ein atemberaubendes Fortissimo angelegt und nahezu abstrakt. Choreografischer Höhepunkt: Jean-Christophe Maillots "Vers un Pays Sage" zu Musik von John Adams.
Alt, aber gut
Maillot zeigt in diesem Stück, 1995 entstanden und somit das Älteste, einen freien, fast spielerischen Umgang mit Elementen aus klassischem und zeitgenössischem Tanz. Aufbauend auf dem Gemälde "Pays Sage" ("Weißes Land") seines Vaters Jean Maillot fließen die Bewegungen, zeichnet auch der Choreograf Maillot feine Bilder.
Plakativ fällt hingegen Patrick de Banas neues Stück "Windspiele" aus. Zum 1. Satz aus Tschaikowskis Violinkonzert, luxuriös mit Konzertmeister Rainer Küchl besetzt, geben die Tänzer, allen voran Kirill Kourlaev, ihr Bestes, scheinen über die Bühne zu fliegen. De Banas Stück über Freiheit basiert auf Virtuosität und drängt Verbindungen zwischen spektakulären Sprüngen in den Hintergrund.
Orientalisch-mystisch ist die Grundstimmung von Helen Picketts Neufassung ihres 2008 kreierten "Eventide". Pickett hat ihre Choreografie verändert, eine Musikcollage zu Kompositionen von Philip Glass, Ravi Shankar und Jan Garbarek erweitert. Trotz origineller Einfälle verfängt sie sich in diesem Musikgeflecht, das sie mit einer Pluralität an Stilen füllt.
David Dawson setzt in "A Million Kisses to my Skin" auf neoklassisches Vokabular. Zu Bachs Klavierkonzert Nr. 1 (Solist: Igor Zapravdin) verweist er auf euphorische Gefühle, die sich beim Tanzen einstellen können. Rasant, bravourös und elegant eilen die Tänzer, darunter die wunderbare Olga Esina, Einspringerin Natascha Mair, Vladimir Shishov und Denys Cherevychko wie Schmuckstücke von Auftritt zu Auftritt. Warum sie es tun, bleibt unbeantwortet.
KURIER-Wertung: *** von *****