ATV-Eigentümer: "Gravierende Änderungen"
Von Christoph Silber
Bei der Medien-Messe Mipcom im südfranzösischen Cannes werden große Fernseh-Geschäfte gemacht. Mittendrin ist auch Tele-München-Chef Herbert Kloiber.
Herr Kloiber, die Medienbehörde hat nun festgestellt, dass das Programm des ORF nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Was sagen Sie dazu?
Herbert Kloiber: Das Ergebnis ist nicht wirklich überraschend. Bezeichnend ist aber die Reaktion der mit den Trickserien auf frischer Tat Ertappten: Statt zerknirscht Besserung zu geloben, wird von Zensur gesprochen. Dabei ist offenkundig: Öffentlich-Rechtliches gibt’s im ORF nur mehr als Nischenprogramm. Und dafür müssen die Gebührenzahler 650 Millionen pro Jahr zahlen. Da wäre eine andere Reaktion des ORF angebracht und im Grunde auch überlebenswichtig. Wir werden aber trotzdem nicht auf die Barrikaden steigen und auf den ORF einschlagen – der macht schon selbst alles, um sich kaputt zu machen.
Von den Problemen des ORF – sei es bei den Quoten, sei es bei der Reputation – können Ihre österreichischen Sender aber nicht profitieren?
Ich kann damit nicht zufrieden sein. ATV hat in der Tat zuletzt eine wenig dynamische positive Entwicklung genommen. Wobei ich hier die Eigenproduktionen Martin Gastingers ausnehme, die sehr gut funktionieren.
Was passt nicht?
Wir kommen mit der Tagesreichweite von ATV und ATV2 nicht schnell genug weiter. Deshalb muss es gravierende Änderungen im Programm geben. Da darf kein Stein auf dem anderen bleiben. Zum Beispiel muss es eine klarere Positionierung von ATV2 geben.
Sie haben die Eigenproduktionen der Unterhaltung von Ihrer Kritik ausgenommen. Aber dieses Unterschichtenfernsehen ist ja wohl etwas, was auch der Werbewirtschaft nicht gefallen wird?
Die Ausfälle der österreichischen Landjugend in der Ukraine sind nicht immer das Thema für die Markenartikel. Anderseits muss man auch sehen, dass es das ist, was die junge Zielgruppe offenbar gern ansieht. Wenn ATV "Harry Potter" spielt, erreicht es sieben, acht Prozent. Und das ist das Lehrstück daraus: Die Eigenproduktionen erreichen in der Zielgruppe doppelte Marktanteile, kosten ein Viertel und sind beliebig oft wiederholbar. Und wir können sie weiterverkaufen. Auch hier auf der Mipcom. Sieben Formate wurden inzwischen an deutsche Sender verkauft und damit machen wir fünf Millionen Euro Umsatz. Dazu kommt, dass es mit dem ORF bei nahezu allen Importprodukten ein Wettbieten gibt. Das alles zusammen macht es für uns also geradezu zwingend, in die Eigenproduktion zu gehen.
Fußball und Oper
Es steht das erste Auswärtspiel der Fußball-Nationalmannschaft vor der Tür. ATV hat sich dafür die Übertragungsrechte gesichert. Wie sind Ihrer Erwartungen?
Natürlich sind die Erwartungen hoch, was den Publikumszuspruch betrifft, Das ist ein Top-Event. Und beim Sport ist es nun mal so, dass im Free-TV die Top-Events gehen und der Rest gar nicht. Zum Glück haben wir jetzt die Nationalmannschaft und auch ein wenig Olympische Spiele.
Auch technisch gibt es bei ATV noch Aufholbedarf: Stichwort HD. Wann kommt das?
Da gibt es noch ein wenig Armdrücken mit der ORF-Sendertechnik-Tochter ORS – das ist ja auch ein wenig bizarr, dass wir uns da mit unserem liebsten Konkurrenten einigen müssen. In Deutschland läuft das Modell HD+ weit über Plan und bringt gutes Geld, in Österreich ist das hingegen ein absolutes Mini-Geschäft. Aber bis zum Frühjahr sollte das Thema abgehakt sein. Dann wird es ATV als HD+-Angebot geben.
Ihre Tele München Gruppe ist ja nicht nur an Sendern beteiligt, sondern produziert auch Fiktion. Was sind Ihre Pläne?
Wir verfilmen im nächsten Jahr Richard Löwenherz. Das Buch von Guy Burt ist fertiggeschrieben, jetzt sind wir in der Besetzungsphase. Die Geschichte wird die Zeit von der Besetzung der Festung Akra, über die Inhaftierung in Dürnstein bis hin zu seiner Rückkehr über Frankreich nach England umfassen. Das Ganze ist als Vierstünder angelegt. Dazu planen wir noch einen Streifen über die Maximilian von Mexiko. Das wird ein Einteiler. Eben abgedreht haben wir eine neue Pilcher mit Rupert Everett, die um Weihnachten herum im TV zu sehen sein werden. Und die Odeon, an der wir beteiligt sind, entwickelt gerade einen Nachfolge-Stoff für " Ein Fall für Zwei".
Für einiges Aufsehen gesorgt hat ihr Ausstieg aus der Kinokette Cinemaxx. Offenbar ein gutes Geschäft?
Ich habe beim Einstieg 60 Cent pro Aktie bezahlt und dann über Kapitalerhöhungen noch einiges an Mittel nachgeschossen. Nachdem wir die Cinemaxx hergerichtet haben, habe ich meine 85 Prozent jetzt für 6 Euro 45 an einen sehr professionellen Kino-Betreiber verkauft.
Planen Sie weitere solcher Akquisitionen?
Ich mach das, wie ich immer sage, opportunitätsbezogen.
Und andersherum? Immer wieder wird ja über einen Verkauf von ATV an RTL oder die CME-Gruppe von Ronald Lauder und Warner spekuliert?
Das ist derzeit kein Thema, aber ich höre mir gute Vorschläge immer an.
Sie sind stark auch im Klassik-Bereich engagiert. So bringen Sie Opern ins Kino, produzieren aber auch.
Oper im Kino hat schon eine sehr erstaunliche Entwicklung genommen. Im Vorjahr haben allein in Deutschland über 200.000 Zuschauer Übertragungen aus der New Yorker Met verfolgt. Was die Produktionen betrifft, da läuft ein Drei-Jahres-Vertrag mit Mariss Jansons. Am Freitag haben wir Bruckner 4 fertiggestellt, was am 1. November bei ATV zu sehen sein wird. Und nächstes Jahr machen wir wieder mit Cecilia Bartoli die Pfingstproduktion, es wird Bellinis "Norma" sein.
Spüren Sie denn gar nichts von der Wirtschaftskrise?
Erstaunlich wenig. Es sind auch hier auf der Mipcom neue Player auf dem Markt. Von Intel bis Google. Und damit zusätzliches Geld. Also im Vergleich schätze ich die Stimmung in Österrreich unter den Produzenten weit schlechter. Auch weil Fiktionales nicht mehr diesen Stellenwert im Fernsehen hat. Scripted Reality, die ganze leichte Kavallerie des Fernsehens, wird zunehmend nachgefragt. Eben alles, was sich zu geringen Kosten und in großer Menge herstellen läßt. Da wird auch der ORF Geld umschichten. Und dann stellt sich in Österreich das Problem, dass es unter den Produzenten wie auch unter den Autoren in diesen Bereich nur sehr wenige Erfahrene gibt. Natürlich ist so ein Event-Film etwas Schönes, aber ein Film hilft am Ende des Monats eben nicht, wenn die Quoten abgerechnet werden.
Ihr Sohn, Herbert L. Kloiber, ist nun ins Management der TMG eingestiegen. Ist das Ihr Einstieg in den Ausstieg?
In meinem Alter denkt man natürlich darüber nach. Jetzt aber bleibe ich noch an Bord.
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