Hans Hollein: Er wollte die Architektur sinnlich
Er hielt es mit Josef Hoffmann: "Was soll man über Kunst reden? Machen oder bleiben lassen." Und Hans Hollein hat viel gemacht.
Spektakuläre Museumsbauten am Abteiberg in Mönchengladbach und in Frankfurt, ein Vulkanmuseum in Südfrankreich, eine Bank im peruanischen Lima, die Shed-Halle in St. Pölten, den Media Tower (Generali Tower) am Donaukanal, die österreichische Botschaft in Berlin ...
Architektur hat ihn ursprünglich interessiert, "weil es eine sehr öffentliche Sache war". Zu seinen bekanntesten und zugleich umstrittensten Bauten zählt das Haas-Haus (1985–1990) schräg gegenüber des Wiener Stephansdomes.
Am Donnerstag ist Hans Hollein, der die Architektur stets als "Verlängerung der Sinne" verstand, nur wenige Tage nach seinem 80. Geburtstag nach langer Krankheit gestorben.
"Alles ist Architektur"
Der Clemens-Holzmeister-Schüler galt nach Reisen durch die USA und Studien der Protagonisten der klassischen Moderne wie Mies van der Rohe und Frank Lloyd Wright bald als Vordenker der Postmoderne. Bekam aber acht Jahre lang keinen Auftrag: Für die Gestaltung der nur 16 großen Kerzenboutique "Retti" 1965 am Kohlmarkt in Wien allerdings gleich den mit 25.000 Dollar dotierten Reynolds-Preis.
"Alles ist Architektur", hat er 1966 flapsig erklärt. Und "dass die Telefonzelle ein architektonisches Objekt sei genau wie der Raumanzug". Mit seiner Forderung, Architekten müssten endlich aufhören, in Gebäuden zu denken, erweiterte der Wiener den Architekturbegriff und knüpfte damit an die Verbindung von Kunst und Alltag an, aus der sich im 20. Jahrhundert der Begriff Design entwickelte.
Er war notorisch rastlos, unruhig und unzufrieden. Dass sein Guggenheim-Projekt für Salzburg an den Politikern gescheitert ist, war ihm lange ein Ärgernis.
Holleins Bauwerke
Guggenheim-Projekt
"Eine Studie hatte es als machbar und finanzierbar erkannt, aber die damalige österreichische Politik wollte es nicht. Wolfgang Schüssel hat es letztlich verhindert", so Hollein: "Die Basken waren eben intelligenter als die Salzburger. An Bilbao sieht man, was wir hier hätten haben können. Und was in Salzburg an einem Museum im Berg beim Café Winkler herumgebastelt wurde, war absurd und ärmlich."
Als Visionär und Architekturtheoretiker hat er in Zeichnungen, Collagen – wie beim "Flugzeugträger in der Landschaft", auf dem er eine ganze Stadt ansiedelte – oder Skulpturen Grundfragen von Raum und seiner Bebauung gestellt, hat Museen, Konzerthallen und Kulturzentren von Europa bis nach China, von Japan über die USA bis nach Saudi-Arabien entworfen und dabei Grundformen wie Kubus, Konus und Welle variiert.
Flugdächer
Charakteristisch für Hollein- Bauten sind die Flugdächer etwa am Haas-Haus und am Media-Tower am Schwedenplatz. Sein "expressives Flugdach", der den Albertina-Vorplatz gleichzeitig beschirmende und zerschneidende "Soravia Wing" (2003), der "weit in die Stadt ausgreift", ist für Klaus Albrecht Schröder "ein Symbol für den Aufbruch und die Öffnung dieses Museums".
1985 wurde Hollein als bisher einziger Österreicher mit dem Pritzker-Preis – quasi dem Nobelpreis der Architekten – ausgezeichnet.
Stolz war Hollein auch auf seine Kinder: Sein Sohn Max, Museumsdirektor in Frankfurt, ist immer wieder für weitere hochkarätige Posten der Kunstszene im Gespräch. Tochter Lilli ist Mitbegründerin und Leiterin der Vienna Design Week.
Die im MAK geplante Ausstellung "Hollein" (25. 6. bis 5. 10.) wird nun in memoriam gezeigt und zu einem Rückblick auf ein großes Lebenswerk.
Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) würdigte in einer ersten Reaktion auf den Tod Hans Holleins diesen als "meisterhaften Architekten, inspirierenden Lehrer, Visionär und Vordenker". Erst kürzlich habe Ostermayer bei den Feierlichkeiten zu Holleins 80. Geburtstag gesprochen und Genesungswünsche geschickt. "Dass er heute bereits nicht mehr unter uns ist, ist eine sehr traurige Nachricht."
Durch Holleins Tod verliere Österreich nicht nur "einen seiner bekanntesten Architekten, Künstler und Theoretiker, sondern auch einen kulturpolitisch engagierten Streiter für die Kunst und die Kunstschaffenden", so der Kulturminister. Hollein habe die Architektur des Städtebaus "wesentlich geprägt" und es mit seiner internationalen Tätigkeit verstanden, "der Moderne einen zeitgenössischen Ausdruck zu geben".
Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) würdigte in einer Aussendung vor allem den Beitrag Holleins, "unserer Stadt ihr modernes und weltoffenes Gesicht zu geben". "Holleins Entwürfe sind architektonische Glanzstücke, durchdrungen von Kreativität und Schaffensdrang", so Mailath-Pokorny. "Mit seinen spektakulären und zugleich wegweisen Bauten, wie etwa dem Haas Haus auf dem Stephansplatz oder dem Soravia Wing auf der Albertina, hat er sichtbare Spuren in unserer Stadt hinterlassen und immer wieder für öffentliche Diskussionen gesorgt."
Auch die Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler Privatstiftung, der Hollein "eng verbunden" gewesen sei, betrauert den Tod des "großen österreichischen Architekten und Designers". Hollein habe Friedrich Kieslers Werke wie "Endless" House" und Theorien wie den "Correalismus" "durch seine eigene Architektur und sein interdisziplinäres Schaffen in die Gegenwart weitergeführt und somit einer neuen Generation von Architekten und Künstlern vermittelt", so der Vorstandsvorsitzende Hani Rashid und Direktor Peter Bogner in einer Aussendung.
"Die internationale Architekturszene verliert mit dem Tod von Hans Hollein einen einzigartigen Universalkünstler und einen Weltstar der Architektur", heißt es aus dem Architekturzentrum Wien (Az W), wo kürzlich mit einer Veranstaltung Holleins 80er begangen wurde. "Hans Hollein ist seit sechzig Jahren der einflussreichste und international wichtigste Architekt aus Österreich. Kein anderer österreichischer Architekt hat wie er zur internationalen Debatte und Entwicklung der Architektur beigetragen. Er hat die Architektur als Gestaltungsanspruch für das gesamte Leben neu positioniert, und damit wesentlich die gesellschaftliche Bedeutung der Architektur insgesamt befördert", so Az W-Direktor Dietmar Steiner.
Tief bestürzt zeigte sich Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, der seinen persönlichen Freund Hollein als "einen der bedeutendsten Architekten und Künstler des 20. Jahrhunderts" würdigte: "Mit seinen Architekturvisionen der 60er-Jahre, der radikal neuen Verwendung von Materialien und einer architettura parlante hat er bahnbrechend auf die Entwicklung der Architektur nicht nur Europas, sondern der Welt gewirkt. (...) Die Albertina verneigt sich vor einem der großen künstlerischen Genies unserer Epoche. Sein expressives Flugdach, das weit in die Stadt ausgreift, ist ein expressives Symbol für den Aufbruch und die Öffnung dieses Museums" Für ihn persönlich sei Hans Hollein "vielleicht der intellektuellste unter allen österreichischen Architekten. Nicht zufällig hat er auch als Ausstellungsarchitekt ebenso wie als Entwerfer des bahnbrechenden Museums in Mönchengladbach einen völlig neuen Standard an Präsentation von Kunst etabliert. Die Kunstwelt verliert mit dem Pritzker-Preisträger Hans Hollein eines der wirkungsmächtigsten Genies."