Kultur

"Anna Karenina" - Großes Theater im Film

In der Beliebtheitsskala gefallener Frauen liegt Anna Karenina zweifellos ganz vorne (gefolgt von Madame Bovary vielleicht). Gefühlte 100-mal wurde Leo Tolstois ausschweifender Roman nun schon verfilmt (das Lexikon sagt zwölf Mal, aber das können wir einfach nicht glauben). Greta Garbo spielte Karenina sogar zwei Mal, 1927 und 1935, und sie spielte sie bis heute unübertroffen. Nicht nur wegen ihres legendären Auftritts aus der Dampfwolke des Zuges.

Überirdisch schön

Jetzt tritt Keira Knightley heraus, die überirdisch, fast ablenkend schön mit ihren Augen klimpern kann und der man ständig ein Butterbrot aufdrängen möchte. Sie hat Anna Karenina schon zum zweiten Mal gelesen, wie sie in Interviews beteuert, und dabei befunden, dass Tolstoi diese Frau, die Ehemann und vor allem Kind für ihre große Liebe verlässt, vielleicht gar nicht so besonders gemocht hat.

Mag sein und mag sein, dass das ein interessanter Filmstoff gewesen wäre. Im Film jedoch ist davon nichts zu spüren. Regisseur Joe Wright, Kunsthandwerker des Kostümfilms, kommt nach „Stolz und Vorurteil“ und „Abbitte“ bereits zum dritten Mal zu Knightley als Hauptheldin zurück und nimmt ohne große Zwischentöne ein Schaumbad in ihren Tränen, ihrem Gesicht, in ihren Bewegungen.

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Vorhang geht auf

Denn ja, bewegt wird hier tatsächlich vieles, vor allem rein äußerlich. Ein Theatervorhang geht auf, die Kulissen werden verrückt, der Realismus ist futsch. Der Film beginnt als Theater auf der Bühne (die Schauspieler gehen in der Garderobe gerade noch ihre Textbücher durch) und wächst sich nur manchmal zum Film ohne Theater aus.

Die Geschichte spielt oben am Schnürboden, springt in die Logen, das Theater verwandelt sich ständig, wird zum Theater im Theater. Alles schwebt, marschiert und tanzt, sehr kalkuliert und durchchoreografiert.

Die Kulissen und die Handbewegungen, die Beamten, die Bauern, alle bewegen sich im Takt. Sogar die Pferde galoppieren auf einer Rennbahn über die Bühne, die blühende Blumenwiese wächst sich in den Zuschauerraum aus (aus dem die Stühle entfernt wurden). Man versteht die Idee: Alles im Leben ist Theater. Jeder in der damaligen zaristischen Gesellschaft stand auf einer Bühne und spielte jedem was vor. Ausbrechen schier unmöglich wie hier aus diesem Theaterraum.

Für die Liebe

Anna Karenina bricht trotzdem aus, entscheidet sich für die Liebe gegen die Konvention, inakzeptabel für die High Society von St. Petersburg rund um 1870. Sie verliebt sich vor aller Augen in Fürst Alexej Wronskij (charismalos: Aaron Taylor-Johnson) und verlässt den Hochbeamten Alexej Karenin (beeindruckend unerkennbar: Jude Law). Auch sie verhält sich wie eine Schauspielerin oben auf der Bühne, als wäre ihr Publikum unten unsichtbar. Als würde sie nicht ununterbrochen genau beobachtet und beurteilt. Dieses Publikum zu unterschätzen ist wohl ihr größter Fehler.


Nun, Joe Wright tut das nicht: Sein Film frönt der gewagten Stilisierung, immer in aller Schönheit, immer auf dem glattesten Filmparkett: Seine „Anna Karenina“ ist ein verführerisches, zirkushaftes Ballett in äußerst schmucken Kleidern. Große Oper will es sein, ein Musical schafft es bravourös. Publikum garantiert.

KURIER-Wertung: **** von *****

Anna Karenina: GB 2012. 125 Min. Von Joe Wright. Mit Keira Christina Knightley, Jude Law, Aaron Taylor-Johnson.

Dies ist ein Fall von einem herrlich albernen Film, der weiß, dass er ein Film ist. Sie kennen das sicher: Film im Film und so. Aber dieser hier ist genau betrachtet ein Film ohne Film. Denn der Drehbuchschreiber, der hier an einem Film schreibt, hat nur den Titel dafür: „7 Psychos“. Weshalb er dringend Ideen sucht und diese (samt den zugehörigen Psychopathen) zu seiner Überraschung im Freundeskreis findet: einen Serienkiller namens Karobube, einen Selbstmörder, einen Hundeentführer und einen coolen Gangster mit entführtem Hund namens Shih Tzu. Ja, man ahnt schon, hier soll es lakonisch bis lustig zugehen. Was mal gelingt, mal wieder nicht.

Nach dem Welterfolg von „Brügge sehen – und sterben“ ist „7 Psychos“ das Hollywood-Debüt von Martin McDonagh. Doch zu gewollt, zu forciert scheinen Ironie und Filmzitate-Humor im Fahrwasser von Meistern wie Tarantino. Auf der Strecke bleiben die Figuren, die nie zu Menschen werden und nie interessieren (sehen wir von Christopher Walken ab, der noch einem Halstuch Seele einhauchen könnte). Ein Grund (oder mehrere) immerhin, sich den Film anzuschauen: Woody Harrelson, Tom Waits, Sam Rockwell – und ja, der Hund.

KURIER-Wertung: *** von *****

USA 2012. 109 Min. Von Martin McDonagh. Mit Colin Farrell, Sam Rockwell, Woody Harrelson.

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KURIER-Wertung: **** von *****

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KURIER-Wertung: **** von *****