Analyse der Emmys: Eine Niederlage für den Serien-Hype
Von Georg Leyrer
"Game of Thrones" ist bei den heurigen Emmys zur besten Dramaserie gekürt worden, und das ist ungefähr so überraschend wie eine Oscar-Nominierung für Meryl Streep (sie steht bei 21). Eigentlich sollten die TV-Preise am Höhepunkt angekommen sein: Serien sind die wichtigste Popkulturform der Gegenwart, der Eintritt der Streamingdienste ins TV-Geschäft hat für eine unvorhergesehene Renaissance des oft tot gesagten Mediums Fernsehen gesorgt. Und dennoch: Es ist die bereits dritte Auszeichnung der Drachen-, Sex- und Machtkampffantasyserie im Dramabereich, insgesamt räumte die siebente (!) Staffel von "Game of Thrones" neun (!) Preise ab.
Gibt es nichts anderes? Doch, viel. Aber die Auszeichnungshäufung für die HBO-(also Kabel-)Serie "Game of Thrones" lässt erahnen, dass die erste Phase des Streamingbooms vorbei ist. Groß geworden ist das Format - Fernsehen aus dem Internet - mit großen Erzählungen, Riesenbudgets - und binge watching, also der Bereitschaft der Seher, viele, viele Stunden in einzelne Charaktere zu investieren.
Jetzt aber sind die ersten großen Serien entweder ausgelaufen oder eben in der x-ten Staffel angekommen. Auf 55 Stunden summiert sich "Game of Thrones" inzwischen. Wenn man die fast 500 weiteren gescripteten Serien dazunimmt, ist die Serien-Überforderung spürbar. Serien werden weiter gerne geschaut und sind kulturelle Konversationsvorlage. Es ist aber bereits das Ende der Zeit, in der neue Serien einen ähnlich großen kulturellen Impact haben wie "Game of Thrones", in Sicht.
"Mrs Maisel" gewinnt
Das zeigt auch der eigentliche Gewinner der Emmy-Verleihung. Die in Summe wichtigsten Preise (beste Comedy-Serie, beste Schauspielerin, beste Regie, bestes Drehbuch) gingen an „The Marvelous Mrs. Maisel“, eine witzige und originelle 50er-Jahre-Serie auf Amazon - von der die wenigsten in Österreich bisher gehört haben. Die Serie der "Gilmore Girls"-Macherin Amy Sherman-Palladino ist super Fernsehen - aber eben Fernsehen, dass auf Amazon läuft, und keine der bildprägenden Riesenproduktionen. Die Serie lebt von Wortwitz (ist dementsprechend schwer zu übersetzen) und der feministischen Story. Ist aber im regulären Fernsehen - wie einst die "Gilmore Girls" - gut vorstellbar.
Und es gibt viel, viel mutigeres Fernsehen, das so gut wie leer ausging, etwa "Handmaid's Tale", „ Atlanta“ und „Insecure“. Auch der komplexe Sci-Fi-Western „Westworld“ gewann nur vier Preise bei 21 Nominierungen.
Ein weiterer Punkt: Viele hatten heuer den ersten klaren Sieg der Streamingdienste erwartet, Netflix war bei den Nominierungen klar voran. Geworden ist es ein Unentschieden mit dem etablierten Kabelfernsehen. Sowohl Netflix als auch der US-Kabelsender HBO kamen auf 23 Emmys. Traditions-Sender NBC kam auf immerhin noch 16 Auszeichnungen.
So wurde aus einem möglichen Triumphmoment - die Emmys zeichnen Dinge aus, die im Leben der Menschen längst wichtiger sind als die Oscars - eine laue Show, eine unentschiedene Auszeichnungslandschaft und eine versäumte Chance.