Alt, aber Polt: Das Schweigen kann so viel sagen
Von Christoph Silber
Es ist noch immer idyllisch, das Wiesbachtal. Aber es ist nicht mehr so ruhig wie früher. Wie auch Simon Polt nicht mehr so frisch ist – genau genommen ist er ja "Alt, aber Polt". Und dass er der weiter ist und sein darf, ist auch in Julian Pölslers sechstem TV-Film mit Alfred Komareks Roman-Figur zunächst das Wichtigste.
Zum wohl letzten Mal radelt der Gendarm im Ruhestand heute, ab 20.15 Uhr auf ARTE, durch die schöne Gegend. Statt beim "Herbstzauber" in der Kellergasse sitzt er lieber mit Freunden im Presshaus, um in Ruhe "seinen jungen Grünen" zu probieren und zu sinnieren. Dann passiert ein Unglück: Ein Mädchen ertrinkt im Wiesbach. Die Polizei schließt Fremdverschulden aus – aber der Polt hört halt zu und deshalb mehr als sie …
Ein Ton
"Er fragt nicht nach Alibis, es braucht auch keine Obduktionsszenen, die immer beliebter werden. Komarek hat da etwas geschaffen, was über die Mörder-Suche hinausgeht", meint Regisseur und Drehbuch-Autor Pölsler. Und das will er bewahren. "Komarek und ich haben mehr als 17 Jahren an der TV-Reihe gearbeitet, was in dem Geschäft lang ist. Und gerade beim letzten ,Polt‘ war es mir wichtig, dass er passt und ein Ton wird. Da muss man auch der Versuchung des Zeitgeists widerstehen." Das tut die Inszenierung des "Entdeckers der Langsamkeit", das tun die Bilder des Trios Pölsler/Kindler/Ballinger, die Musik von Haindling.
Und Erwin Steinhauer, der wieder Simon Polt ist. "Ich bin ein großer Steinhauer-Fan geworden. Dabei hatten wir zu Beginn entgegengesetzte Meinungen zur Figur", erzählt der Steirer. Steinhauer wollte sie dynamischer, er nicht. "Manchmal kam’s beim Dreh vor, da war Steinhauers Blick, die Bewegung, der Auftritt falsch. Dann rief ich ,Aus‘ und er sagte, ich weiß eh, du willst den Hodenlosen – und binnen fünf Minuten passte alles. Das können nicht viele."
Wundern
Diesmal bekommt Polt Unterstützung, mit der er sich nicht leicht tut. "Das braucht keinen zu wundern, dass er sich wundert, als er plötzlich ,Sein oder Nicht-Sein‘ hört." Was Mira Martell, eine dem Alkohol zusprechende Mimin, in einem Stadl rezitiert. Iris Berben ist diese "verdrehte Schachtel". "Eine Gratwanderung. Aber wie sie die aufgelöst hat, ist großartig." Eigentlich hatte Pölsler eine Österreicherin dafür vor Augen, aber ORF-Direktorin Kathrin Zechner hat sie ihm ans Herz gelegt. Und heute – wenn Pölsler ein Steinhauer-Fan ist, dann ist er bei der Berben ein ganzer Fan-Club: "Sie ist unglaublich als Künstlerin, Persönlichkeit und Frau, herzlich und intelligent." Zechners Rat schmälert ein wenig Pölslers Grant, weil die Premiere bei ARTE ist und der ORF den Film für einen besonderen, späteren Anlass reserviert hat "Man stelle sich vor, die ,Vorstadtweiber‘ liefen zuerst in der ARD."
Pölsler werkt indes an neuen Projekten. Für eins "will ich unbedingt Komarek gewinnen." Es geht um einen "politischen Landkrimi" im Ausseer Land, das beide bestens kennen – "schweigen können sie dort auch gut." Fürs Kino wendet sich Pölsler wieder der österreichischen Literatur zu – nach Marlen Haushofer will er Christine Lavant umsetzen. Vielleicht danach Robert Seethaler. "Da wird auch wenig geredet, aber viel gesagt", so Pölsler.