Kultur

Alles rauscht, zischt und vergeht

Der Star des ersten Festival-Wochenendes, zumindest im Feld der bildenden Kunst, ist ein Mystery Man: Tino Sehgal hat das Fotografieren seiner Werke strengstens verboten, auch von sich selbst gibt der Künstler kaum Bilder her. Selbst die Handlungsanweisungen für seine Arbeiten (der Begriff „Performance“ ist untersagt) werden nur mündlich weitergegeben.

Mit seiner extremen Fokussierung auf das, was im Moment entsteht und in der Erinnerung bleibt, ist der einstige Tänzer zum Künstler von Weltrang aufgestiegen: Zuletzt bespielte er die „documenta“ in Kassel und die Turbinenhalle der „Tate Modern“ in London. Just am Donnerstag, dem ersten Tag des Kremser Donaufestivals, wurde er für den renommierten Turner-Preis nominiert.

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In Krems muss man Sehgals Arbeit allerdings suchen: In einem sonst leeren Saal der Ausstellung „Große Gefühle“ in der Kunsthalle knien noch bis Samstag (10–20 Uhr) zwei Akteure (abwechselnd zwei Frauen und zwei Männer) und scheinen in ein seltsames Zwiegespräch vertieft.

Eine Akteurin singt, zischt, schnalzt – es ist ein beständiger Groove, manchmal tauchen Textfetzen auf. Ihr Gegenüber bewegt sich dazu und spielt ein Gestenvokabular durch, das auch in den Bildern der Ausstellung durchdekliniert wird. Irgendwann werden die Rollen getauscht. Dieses Arrangement will nicht als Tanz, sondern als lebende Skulptur gesehen werden; Sehgal schickt die Betrachter auf Assoziationsreise durch den eigenen Bilderkosmos und weigert sich, neue Bilder herzustellen.

So schlüssig der Zugang ist, stellt sich doch auch die Frage, ob der Künstler nicht auch einen Fetischkult um die Flüchtigkeit betreibt. Anders als in Arbeiten Segahls, in denen Akteure das Publikum direkt ansprachen, wird der Betrachter in Krems nicht weiter involviert. Viele Besucher in Krems gingen an der Erschütterung ihrer eingeübten Kunstbetrachtung achselzuckend vorbei.

Weibels Rauschen

Peter Weibel scheute sich dagegen nicht, unfassbare Phänomene üppig zu bebildern und zu vertonen: In seiner Performance in der Minoritenkirche am Donnerstag (der KURIER sah die Generalprobe) verkündete der Medienkunst-Professor das Credo „Am Anfang war der Lärm“ und ließ eine lautstarke Nummernrevue mit 3-D-Projektionen, aber auch Rockmusik folgen. Dabei galt es zu illustrieren, dass das Rauschen (von TV-Schirmen) teils aus kosmischer Strahlung besteht und daher eine Ahnung von der Genese aller Materie vermittelt. Ob hier wirklich „alle inhaltlichen Fäden“ zusammenliefen, wie es das Programmheft versprach, sei dahingestellt: Es sah eher nach einem von vielen Knotenpunkten eines notorisch unbestimmten Festivals aus.