Kultur

"All Is Lost": Uneitel ins Lebensfinale

Zuerst wurde viel geredet. In seinem superben Spielfilmdebüt, dem Zahlen-Drama „Der große Crash – Margin Calls“, erzählte Regisseur J. C. Chandor eloquent von Bankern in der Finanzkrise.

Auch in seinem exzellenten Zweitling, dem Hochsee-Thriller „All Is Lost“, interessiert sich Chandor für eine Krise. Doch diesmal kommt er fast gänzlich ohne Worte aus.

Sprachlos ist der Kampf, den ein Mann auf hoher See in seinem sinkenden Schiff führt. Und es ist nicht irgendein Mann. Es ist „Unser Mann“, wie er im Abspann genannt wird: „Our Man“. Und es ist Robert Redford. Robert Redford, über Jahrzehnte hinweg Amerikas liberales Glücksversprechen für Schönheit, Eleganz, Klasse. Robert Redford, mittlerweile in seinen 70ern, und immer noch umweht von der Aura des gut aussehenden Mannes. Aber mittlerweile ist er auch sichtbar alt – wie der alte Mann und das Meer, der im Geiste Hemingways einen existenziellen Überlebenskampf auf dem Wasser führt.

Es beginnt hoffnungslos.

„Unser Mann“ wacht eines Morgens in seiner kleinen Jacht auf und findet seine Kajüte überflutet. Ein flottierender chinesischer Frachtcontainer, gefüllt mit Billig-Turnschuhen, schlug ein Leck in sein Boot. Ein Globalisierungsunfall sozusagen, der einen US-Wohlstandsbürger auf seiner Ferienreise trifft.

Letzte Sätze

Und mehr wissen wir auch schon nicht über ihn. Chandor zeigt keine verheulten Verwandten, die sich um den Verbleib des Mannes sorgen. Ein knappes „Es tut mir leid. Ich habe mich bemüht“ muss genügen. So lauten die ersten und letzten Sätze, die „Unser Mann“ gleich zu Beginn spricht, als alles bereits aussichtslos scheint.

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Eine strahlende Sonne und die sanften Wellen des Indischen Ozeans verheißen vorerst trügerische Ruhe. Zu Beginn lässt sich auch das Loch im Boot scheinbar stopfen. Doch dann bricht Sturm aus und das Schiff beginnt endgültig zu sinken.

All diese Tätigkeiten – Wasser abschöpfen, Lecks flicken, den Segelmast hinaufklettern, das Schlauchboot bei größtem Sturm im Wasser flottmachen – Redford verrichtet all diese Tätigkeiten zuerst mit bewundernswerter, man möchte fast sagen: amerikanischer Effizienz. Und dann mit zunehmender Verzweiflung. Denn irgendwann gibt es einfach nichts mehr zu tun – eine inakzeptable Vorstellung für amerikanisches Heldentum.

Chandor bleibt dicht bei seinem Mann und konzentriert sich ganz auf die Beobachtung der notwendigen Überlebenshandgriffe. Der Musikeinsatz bleibt spärlich, die kurzen Pathosmomente bleiben intensiv. Immer wieder taucht die Kamera unter Wasser, gibt den Blick aus der Tiefe des Meeres frei. Fischschwärme umkreisen das Rettungsboot, unbeeindruckt und von ewiger Schönheit wartet das Meer.

Und Robert Redford? Er übergibt sich uneitel in das Lebensfinale eines Mannes, der lernen muss, den Tod zu akzeptieren. In der Ferne kreuzen riesige Containerschiffe, ohne seine Notsignale zu bemerken. Der globale Warenverkehr, er lässt sich von menschlichen Schicksalen nicht stören.

KURIER-Wertung:

INFO: All Is Lost. USA 2013. 106 Min. Von J. C. Chandor. Mit Robert Redford.

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Manchmal ist die Ähnlichkeit mit Diana verblüffend. Etwa, wenn Naomi Watts das Kinn senkt und treuherzig unter ihrer Föhnwelle nach oben blickt. Wenn sie allerdings unter einer schwarzen Langhaarperücke verschwindet, um anonym zu bleiben, ist der Illusionsbruch total: Dann sieht Naomi Watts aus wie Liz Hurley.

Abgesehen von diesen mal mehr, mal weniger gelungenen Ähnlichkeiten mit der „Prinzessin der Herzen“, bleibt von Oliver Hirschbiegels Hochglanz-Bio-Pic mit Hang zur Seifenoper wenig übrig. Hirschbiegel („Der Untergang“) macht sich nicht die Hände mit Spekulationen über Depressionen oder Essstörungen schmutzig. Überhaupt hat er wenig Komplexes über die Prinzessin zu sagen. Seine Diana bleibt durchgehend eine einsame Heilige, mit der er konventionell-seichte Gewässer romantischer Liebe besegelt.

Wer es noch nicht wusste: Dodi Al-Fayed war keineswegs Dianas letzte Liebe, sondern lediglich Vorwand. Mit ihm wollte sie den pakistanischen Herzchirurgen Hasnat Khan eifersüchtig machen. Diana lernt Khan bei einem Spitalsbesuch kennen und lädt ihn ins Schloss Kensington ein.

Zwischen den Verliebten fallen bizarre Sätze: „Ich muss um Mitternacht zu Hause sein, um meine Dissertation zu schreiben.“ – „Können Herzen wirklich brechen?“ – „Wir führen keine Operation aus, die Operation führt uns aus.“

Kein Wunder, dass Naveen Andrews („Lost“) als Khan nie zum Leben erwacht. Auch Naomi Watts bleibt trotz ihrer Schauspielkraft mehr Schulmädchen als erwachsene Frau auf Selbstsuche. Und wer sich auf Charles und den Rest der Royals gefreut hat – die kommen nicht vor.

KURIER-Wertung:

INFO: Diana. UK/F/S/BL 2013. 113 Min. Von Oliver Hirschbiegel. Mit Naomi Watts, Naveen Andrews, D. Hodge.

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Der Name Matthew Porterfield ist mit Baltimore so eng verbunden wie Martin Scorsese mit New York.

Regionalismus im besten Sinne: Matt Porterfields Filme – wie zuletzt sein Teenager-Porträt „Putty Hill“ – öffnen die Grenzen des Spielfilms hin zum Dokumentarischen. Sein poetischer Realismus und seine genauen Milieustudien zählen zum Interessantesten, was die US-Independent-Szene derzeit zu bieten hat. „I Used to Be Darker“ ist für Porterfield-Verhältnisse relativ streng inszeniert. Ein junges, irisches Mädchen reißt von zu Hause aus und macht einen Überraschungsbesuch bei ihren amerikanischen Verwandten in Baltimore. Ihr Onkel Bill (Ned Oldham) und ihre Tante Kim (Kim Taylor) – beide Country-Sänger – befinden sich gerade in Trennung, ihre Tochter leidet am Auseinanderbrechen der Familie.

Darüber erzählt Porterfield ein zartes, unaufdringliches Melodram – mittels viel Melos, also Musik. Der Musiker Ned Oldham – Bruder von Alternative-Country-Sänger Will Oldham (Bonnie „Prince“ Billy) – und Kim Taylor, ebenfalls Sängerin, kommentieren den Zusammenbruch ihrer Ehe mit traurigen Songs. Sie absolvieren Konzerte und spielen einsame Lieder, während der Liebespartner aus ihrem Leben verschwindet. Dazwischen versuchen die Teenager-Girls, ihr eigenes Leben zwischen Krise und Alltag in den Griff zu bekommen. Die Alten und die Junge – sie stehen am Anfang eines neuen Lebens.

KURIER-Wertung:

INFO: "I Used to Be Darker". USA 2013. 90 Min. Von Matt Porterfield. Mit Deragh Campbell, Hannah Gross.

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Ein Fußpfleger besticht einen Polizisten bei der Fahrzeugkontrolle mit Fußcremes. Diese schenkt er an seine Frau weiter, eine Doku-Filmerin und unzufrieden damit, Sozialreportagen zu machen. Ein wenig hat Regisseurin Frauke Finsterwalder wohl auf ihren Berufsstand abgezielt. Nach einigen Dokus hat sie nun ihren ersten Kinospielfilm vorgelegt.

„Finsterworld“ beschäftigt sich, trotz aller Überhöhung, mit der deutschen Wirklichkeit. Das Drehbuch hat sie mit ihrem Ehemann, Bestsellerautor Christian Kracht, verfasst. In mehreren Episoden wird mit satirischem Blick das Bild eines an der Oberfläche strahlenden Landes gezeichnet. Doch dahinter lauern die Abgründe. Der Fußpfleger (köstlich: Michael Maertens) mischt den Fußschorf seiner Lieblingskundin in die Kekse, die er für sie bäckt. Bei einer Klassenfahrt in ein Konzentrationslager wird offenbar, dass sich die Belastungen der Geschichte nicht so einfach abstreifen lassen.

KURIER-Wertung:

INFO: Tragikomödie. Finsterworld. D 2013. 91 Min. Von Frauke Finsterwalder. Mit Corinna Harfouch, Johannes Krisch.

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Rocky versus Raging Bull beziehungsweise Robert De Niro versus Sylvester Stallone treten zum Seniorenboxen an. Schon als junge Männer waren sie Gegner, dreißig Jahre später wollen sie es noch einmal wissen. Natürlich ist eine Frau – die immer schöne Kim Basinger – Schuld an ihrer Feindschaft.

Regisseur Peter Segal beginnt mit gutem Milieu-Realismus, gleitet dann aber zunehmend ins seifige Familienmelodram ab. Schade.

KURIER-Wertung:

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