AC/DC: Sturer als das Leben
Von Guido Tartarotti
Und wie klingt das neue Album von AC/DC? Die Frage ist absurd, ein Fan würde sie nie stellen. Das neue Album von AC/DC klingt natürlich wie das davor, welches wie das davor klang. Das macht ja das Wesen dieser Band aus: Sie verändert ihre Musik nie. AC/DC, das ist vertonte Sturheit. Viele rechnen sie dem Hardrock zu, manche sogar dem Heavy Metal, aber in Wahrheit spielen sie immer Blues, halt ein bisschen schneller und lauter, als er ursprünglich gemeint war.
Vorschrift
Jedes AC/DC-Album klingt also gleich, aber es ist nicht jedes gleich gut. Innerhalb ihres Formates glänzen AC/DC manchmal mit Kreativität und Funken sprühender Originalität – und manchmal bieten sie eher Dienst nach Vorschrift. Das neue Album ist eher Dienst nach Vorschrift.
Es fehlen ihm die überraschenden Grooves von "Powerage" (1978), die infektiösen Melodien von "Highway To Hell" (1979), die wilde, aufbegehrende Verzweiflung und Wut von ihrem größten Erfolg "Back In Black" (1980), die riesigen Stadion-Refrains von "The Razor’s Edge" (1990) oder auch die überschäumende Spielfreude von "Black Ice", dem Vorgänger-Album aus 2008, das von Kritik und Publikum abgefeiert wurde.
Aber es ist keineswegs ein schlechtes Album, weil es von AC/DC keine schlechten Alben gibt. "Rock Or Bust" ist ein kräftiger, ein wenig monotoner Opener, die erste Singe "Let’s Play Ball" hat einen starken, aber vorhersehbaren Refrain. "Rock The Blues Away" ist der Versuch, eine typische AC/DC-Kommerznummer im Stil von "Money Talks" oder "Anything Goes" zu schreiben, der Song kommt aber nicht recht auf den Punkt.
Und so geht es weiter. "Miss Adventure" hat funkige Gitarren und große Chöre, aber keine zündende Idee. "Dogs Of War" beginnt knurrig, als wären hier Accept – die deutschen AC/DC-Verehrer und Metal-Pioniere – am Werk. Es ist der kraftvollste Song des Albums.
Die Produktion von Brendan O’Brien (Springsteen, Pearl Jam) ist makellos, die Bässe klingen warm, die Gitarren dick, das Schlagzeug klopft stoisch. Brian Johnson, der als Sänger schon mehrfach abgeschrieben wurde, singt, wie auch auf "Black Ice", mitreißend gut.
Demenz
In Wahrheit ist es ein Wunder, dass dieses Album überhaupt erscheint. Denn in Wahrheit gibt es AC/DC gar nicht mehr. AC/DC liegt in Gestalt ihres Gitarristen, Hauptsongschreibers und Bandleaders Malcolm Young, 61, nach einem Schlaganfall dement in einem Pflegeheim. Dass AC/DC trotz des Ausfalls ihres Anführers weitermachen – sein Neffe Stevie Young ersetzt ihn, nicht zum ersten Mal – spricht für den Durchhaltewillen der Band. Die ja schließlich auch 1980, nach dem Tod ihres Sängers Bon Scott, unbeirrbar weitermachte. Wie lange das Unternehmen ohne Malcolm noch laufen kann, weiß niemand.
Im Interview zum neuen Album sagte Malcolms Bruder, Lead-Gitarrist Angus Young, 59, (der mit der Schuluniform): "Es ist ein gutes, aufregendes Album geworden. Wir haben die Arbeit daran genossen, trotz der Situation." Auf Experimente haben man, natürlich, verzichtet. "Wir wussten immer, was wir am besten können."
In Wahrheit ist das Album ein Statement: Wir sind sturer als das Leben.
Ob Phil Rudd überhaupt noch zu AC/DC gehört, weiß derzeit niemand, er selbst wohl am wenigsten. Er spielte von 1975 bis 1983 bei der Band, dann musste er wegen Alkoholproblemen gehen. 1995 kehrte er zur Freude der Fans zurück – sein stoisches, reduziertes Schlagzeugspiel ist wichtig für den Sound der Band. Anfang November wurde in Neuseeland, wo Rudd lebt, Anklage gegen ihn wegen eines Mordauftrags erhoben und rasch wieder fallen gelassen. Anklagen wegen Morddrohungen und wegen Drogenbesitzes bleiben jedoch aufrecht.