300 Millionen-Kunstsammlung, einst in Salzburg, ist verschwunden
Von Michael Huber
152 Gemälde des deutschen Malerfürsten Markus Lüpertz, 87 Werke seines Kollegen Anselm Kiefer, dazu 103 Arbeiten der Künstlerin Renate Graf - insgesamt wird der Schatz an deutscher Gegenwartskunst, der in einem veritablen Kunstkrimi abhanden kam, auf einen Wert von 300 Millionen Euro geschätzt. Wie die Süddeutsche Zeitung recherchierte, weiß derzeit niemand so recht, wo sich die Bilder befinden - einige davon sollen am chinesischen Markt zum Verkauf angeboten worden sein.
Österreichischen Kunstkennern könnten einige der Bilder vertraut vorkommen: Denn sie gehören der äußerst öffentlichkeitsscheuen Sammlerin Maria Chen-Tu, einer Taiwanesin mit deutschem Pass. Rund 400 Werke ihrer Sammlung - neben Bildern von Lüpertz und Kiefer auch Werke von Jörg Immendorff, Fotos von Helmut Newton und einiges mehr - waren einst als Dauerleihgabe an das Salzburger Museum der Moderne gekoppelt. Dessen einstiger Direktor Toni Stooss hatte die Leihgabe der so genannten "Sammlung MAP" - der Name Chen-Tus wurde stets geheim gehalten - 2010 arrangiert. Seine Nachfolgerin Sabine Breitwiese ließ die Leihgabe 2016 weiterziehen. Wie Breitwieser gegenüber dem KURIER betont, lag das nicht daran, dass die Kunst nicht in ihr Programm gepasst hätte - vielmehr seien "die Vorstellungen der Sammlerin für ein öffentliches Museum inakzeptabel" gewesen.
Die Sammlung wurde daraufhin an die Kunsthalle Krems angedockt - doch auch von dort wurde sie wieder abgezogen.
In der Folge ließ Chen-Tu ihre Bestände in globalen Ausstellungen zirkulieren. Sie vertraute sie dabei einem Geschäftsmann namens Ma Yue an, de seinerseits mit einem deutschen Adligen wiederum die Gesellschaft "Bell Art" gründete. In die Schlagzeilen der Kunst-Fachpresse kam die Gesellschaft 2018, als sie in Peking eine große Schau mit Werken von Anselm Kiefer - maßgeblich aus der "Sammlung MAP" - organisierte, ohne den Künstler dabei einzubinden. Kiefer protestierte damals und fühlte sich "vergewaltigt, nicht geehrt". Chen-Tu vertraute Ma aber weiterhin ihre Kunstbestände für Ausstellungen an. Dass sie mit ihm vereinbart habe, dass er diese auch veräußern dürfte, bestreitet sie jedoch.
Der Maler Lüpertz tat nun bei einer Pressekonferenz in Peking seinen Unmut kund. Er fürchtet um sein Frühwerk, das zu maßgeblichen Teilen in der "Sammlung MAP" gebündelt ist, und spricht von einer "Geiselnahme". Wo sich die Kunstwerke befinden, sei unklar, laut "Süddeutscher Zeitung" sei ein Teil in Hongkong gepfändet worden, weil Ma ein Lager nicht bezahlen konnte. Andere Teile sollen in Shenzhen und Hongkong sein. Registriert ist die "Sammlung MAP" dem Bericht zufolge weiterhin in Österreich.