100 Jahre Tarzan: Doch lieber Sex mit Affen?
Von Peter Pisa
Es war ihm egal. Er ließ selbst Löwen auf Bäume klettern, was sie für gewöhnlich nicht tun. Und als Edgar Rice Burroughs reich war und sich bei Los Angeles ein riesiges Stück Land kaufen konnte, das er "Tarzana" nannte, nicht einmal dann ist er nach Afrika geflogen, um zu sehen, worüber er jahrelang geschrieben hat. „In der unendlichen Wand dornenbewehrter Bäume schien es keine Lücke zu geben ...“
Na gut, Edgar Rice Burroughs war kein großer Landschaftsbeschreiber; und die Mangani, die in seinen Büchern bei den Ruturi lebten, hätte er ja ohnehin nicht gefunden. Ihm war sehr bewusst, dass er Mist produzierte. Der Amerikaner hat sich nicht, wie Karl May, als großer Schriftsteller gefühlt. Er schrieb gegen die Armut.
Bleistiftspitzer
Als Glühbirnenvertreter hatte er zum Beispiel gearbeitet und als Bleistiftspitzerverkäufer. Da gab es viel Zeit, sogenannte Pulp-Magazine zu lesen. Heftln mit Fortsetzungsgeschichten. „Das kann ich auch“, dachte er und bewies es sogleich mit roten Apachen und grünen Marsmännchen. 400 Dollar bekam er dafür. Er fasste es nicht: Brauchen Menschen solche Fantasien tatsächlich mehr als Bleistiftspitzer? Und er las als Vorbereitung fürs Kommende Kiplings „Dschungelbuch“ sowie Stanleys Afrika-Erlebnisse: „Tarzan of the Apes“ wurde 1912 abgedruckt (800 Dollar) und erschien als Buch 1914.
Edgar Rice Burroughs war einer der Ersten, dem es gelang, die Rechte an seiner Figur zu behalten. Bald gab es in den USA Tarzan-Benzin und Tarzan-Eis, ab dem Jahr 1918 Kinofilme, ab 1929 zum Teil großartige Comics (Hal Foster! Burne Hogarth!). Burroughs schnitt immer mit – und seine Erben tun es noch heute. Im deutschsprachigen Raum wurden die Romane so gut wie nicht wahrgenommen. Am ehesten noch in den 1920er-Jahren. Heute glauben viele, der Held wäre fürs Kino erdacht worden.
Kannibalismus
Wenn am kommenden Donnerstag drei der 23 Tarzan-Romane zum 100-Jahre-Jubiläum erscheinen, huldigt der Schweizer Verlag Walde + Graf in besonders schöner Aufmachung dem Trash. Das geht. Mit Ironie geht alles. Und man darf Burroughs für seine Welt ja wirklich dankbar sein. Nun sieht (liest) man auch, wie wild der Original-Tarzan ist. Der muss sich sehr zurückhalten, um seine Opfer nicht in guter kannibalischer Tradition zu verspeisen. Ungern wirft er die Eingeweide seinen hungrigen Tierfreunden zu.
Und er ist sich während seiner Menschwerdung gar nicht sicher, ob er nicht doch lieber mit Affenweibchen schlafen soll. So interessant diese Frau namens Jane, die er irgendwann heiraten wird, auch sein mag. Die „richtige“ Jane hat übrigens blondes Haar, nicht schwarzes.
Hier sind die Romane im Einzelnen, übersetzt von Ruprecht Willnow und Marion Hertle:
1.) „Tarzan bei den Affen“:
Der allererste Roman vom Baby Lord Greystoke, das von Affen gesäugt und großgezogen wird. Burroughs schreibt nie, um welche Affen es sich handelt. Es sind wenig poetische „große Anthropoiden“. Persönliche Lieblingsstelle:
„Er war ein M-E-N-S-C-H, sie waren A-F-F-E-N, und die kleinen Affen, die durch den Wald schossen, waren M-E-E-R-K-A-T-Z-E-N. So lernte er lesen.“
2.) „Tarzan und die Schiffbrüchigen“ (1940): Es ist Krieg, und Tarzan ist Gefangener zweier böser Deutscher namens Schmidt und Krause. Er soll an eine Show in New York verkauft werden. Lieblingsstelle ist gleich der erste Satz:
„Manchmal ist es schwer, den Anfang für eine Geschichte zu finden.“
3.) „Tarzan und der Verrückte“ (posthum 1964 erschienen, jetzt erstmals auf Deutsch, Nachwort vom Münchner Cineasten Georg Seeßlen): Der Chef im Urwald hat einen schwer gestörten Doppelgänger, der Schande über ihn bringt. Lieblingsstelle ist ein Dialog der beiden Schurken. Er treibt die Handlung nicht besonders weiter:
„ Was glaubst du, war das?“, fragte Gantry.
„Was soll was gewesen sein?“, fragte Crump.
„Die Stimme letzte Nacht.“
„Woher soll ich das wissen?“