Kolumnen/Wortklauberei

Von kleinen und großen Nackerbatzeln

Vorige Woche wurde an dieser Stelle über das Wort „Batzel“ (kleiner Essensrest) räsoniert. Dazu schreibt Leser Franz H.: „Dieser Ausdruck wird in der burgenländischen Mundart nicht nur auf Speisen bezogen, sondern auch sehr häufig auf Kothäuflein [Anm.: Größenbedingt wohl eher nicht auf die von Bernhardinern und Berner Sennenhunden, wie Ihr Wortklauber vermutet], aber auch auf Mörtel; als Kinder batzelten wir im nassen Sand nach Gewittern kleine Häuser, Figuren und Türme.“

Diese liebenswerte Beschreibung führt uns zum „Nackerbatzel“. Dieser Begriff wird gerne als Kosewort für halbnackt herumlaufende Kinder verwendet – auch hier bedeutet „Batzel“ so viel wie „klein“, „wenig“.

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Nackerbatzeln können freilich nicht nur Kinder sein, sondern, mit dem Zusatz „geistige“ versehen, auch Erwachsene. Zu dieser Injurie („schlichtes Gemüt“) gibt es naturgemäß viele Synonyme. Die Palette reicht vom „Strohschädl“ über „Dolm“ und „Schoitl“ bis zum „Hirnschüssler“ (= jemand, dem ins Hirn geschossen wurde). In ähnliche Richtung zielt auch jener Begriff, den Toni Polster durch ein Interview im deutschen TV so richtig populär machte. Polster: „Der FC Köln will mir mehr zahlen, als ich nehmen will. Das ist die Schwierigkeit, sie wollen mir das Geld praktisch aufdrängen, das möchte ich nicht.“ – Reporter: „Das war jetzt ein Scherz, oder?“ – Polster: „Du bist a Blitzgneißer, sagt man in Österreich!“

Besonders angetan haben es dem Wortklauber die bildhaften Schimpfwörter, die den Inhalt sofort vor dem geistigen Auge entstehen lassen, wie z.B. Ohrwaschlkaktus, Schwarzkappler, Kerzerlschlucker (frömmelnder Mensch), Spagatscheißer (= einer, der nichts auf die Reihe bringt), Spinatwachter (frühere Bezeichnung für Polizisten wegen ihrer grünen Uniform). Doch wissen Sie, was ein „Frischluftdepperter“ ist? Parken Sie einmal am Wochenende Ihren SUV mit Wiener Kennzeichen im Wiener Umland in der Wiese. Die Chancen stehen gut, dass Sie dann von einem Einheimischen so angeredet werden. Oder auch anders.

Fundstück der Woche: „Lenker lieferte sich Verfolgungsjagd“ (Schlagzeile im KURIER)

Offen bleibt, ob er sich eingeholt hat.

Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund. Und das nun schon zum 101. Mal im KURIER.

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Soeben ist im Seifert Verlag ein Buch zur beliebten Kolumne erschienen, in dem der Autor das Beste aus zwei Jahren „Wortklauberei“ destilliert hat. Insgesamt 50 Kolumnen über die vielen Fallstricke der deutschen Sprache sind in dieser humorvollen Blütenlese zusammengefasst, ergänzt um ein Vorwort von KURIER-Kulturredakteur und Debattenchef Peter Temel.

Am Montag, 25. November, findet die Buchpräsentation bei Thalia Wien – Mitte statt; Landstraßer Hauptstraße 2a/2b, Wien 3; Beginn: 19 Uhr. Einleitende Worte wird KURIER-Herausgeberin Martina Salomon sprechen.