Kolumnen/Wortklauberei

Geiles aus Italien

Einer der verdienstvollsten Italiener ist kürzlich im Alter von 81 Jahren verstorben: Roberto Linguanotto, Koch aus Treviso und „Vater“ des Tiramisu. Er soll das geile Dessert 1970 durch Zufall erfunden haben: Bei der Herstellung von Vanilleeis sei versehentlich Mascarpone in eine Schüssel mit einer Dotter-Zucker-Masse getropft. Die Creme habe so gut geschmeckt, dass Linguanotto sie mit kaffee- und rumgetränkten Biskotten zu einem Dessert aufgeschichtet und „Tira mi sù“ (=„Zieh mich hoch!“) genannt habe. Diese Süßspeise verleiht also dem Gourmet (vor allem aber dem Gourmand) dank ihres hyperkalorischen Gehalts neue Kräfte – sie zieht den Esser (und den Zeiger der Waage) hinauf.

Ebenfalls nicht gerade kalorienarm ist der „Affogato“, der plötzlich inflationsartig die Speisekarten unseres Landes ziert. Bei ihm handelt es sich um einen (meist überteuerten) Mini-Eiskaffee, der seinen Namen dem italienischen Wort affogato (= ertränkt) verdankt: Eine Vanilleeiskugel wird quasi im Espresso ertränkt – weshalb der vollständige Name auch „Affogato al caffè“ (= ertränkt im Kaffee) und nicht „Espresso affogato“ lautet.

Letzteres würde, marketingtechnisch fragwürdig, „ertränkter Espresso“ bedeuten.

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Überhaupt geizt die italienische Küche ja weder mit Kalorien noch mit klangvollen Bezeichnungen. Der Name der köstlichen Saltimbocca (Kalbsschnitzel mit Prosciutto und Salbei) bedeutet „Spring in den Mund“, der „Cappuccino“ hat seinen Namen von der Kapuze (ital. cappuccio), die ihm in Form eines Milchhäubchens verpasst wird; der „Espresso“ spielt auf die Geschwindigkeit an, mit der der Minikaffee getrunken wird; in der sämigen „Burrata“ wiederum verbirgt sich das Wort für Butter (ital. burro). Fazit: Italienische Speisen schmecken nicht nur gut, sondern klingen auch großartig. Sogar noch eine Spur besser als Scheiterhaufen, Blunze und Knacker (selbst wenn diese „an“ Essig und Öl gereicht wird).

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Fundstück der Woche: „Ed Sheeran gibt 2025 Zusatzkonzerte“ (aus den Westfälischen Nachrichten). – Geht man von einem Konzert pro Woche aus, ist Herr Sheeran die nächsten 38,94 Jahre gut ausgelastet.

Wolfram Kautzky ist Philologe und geht gerne den Wörtern auf den Grund.