Kolumnen

Vollschlank in Floridsdorf

Unlängst widmeten wir uns im Redaktionskomitee der Wiener Ansichten der Frage, ob und wie viel die Begriffe schön und liebenswert miteinander zu tun haben.

Nicht viel, glücklicherweise.

Dieser Meinung ist wohl auch die Autorin Inge Fasan, die in ihrem Spaziergänge-Buch „10.000 Schritte in Wien“ Orte besucht, die bisher als wenig sehenswürdig galten. Unter anderem die Großfeldsiedlung. Sie begegnet der größten Plattenbausiedlung Österreichs mit Wohlwollen und lässt auch deren Leinwand- Ruhm in Barbara Alberts Film „Nordrand“ nicht unerwähnt. Albert selbst stammt ja aus der unweit gelegenen Nordrandsiedlung. Ein beschauliches, doch unauffälliges Grätzel mit Gärten und ruhigen Gasserln, in denen auch Mitglieder des Redaktionskomitees einst mit Hund und Rad umhersausten.

Die Meisterin des wohlwollenden Blicks auf Gegenden, die nicht gleich ins Auge springen, ist zweifellos Agnes Bernhard, auch Oma Bernhard genannt. Die ehemalige Religionslehrerin ist ehrenamtliche Mitarbeiterin im Bezirksmuseum Floridsdorf und hat zwei grundsympathische Bücher über den Bezirk herausgebracht („Einst & Jetzt“, Teil I und II). Als wir dieser Tage Neues über die berühmte Venus von Willendorf erfuhren (sie war doch kein Sexsymbol, sondern eine weise Großmutter, was soll Frau denn sonst sein?), nahmen wir unverzüglich Oma Bernhards Floridsdorf-Buch zur Hand, um darin alles über die ein bisschen weniger berühmte Venus vom Bisamberg nachzulesen. Auch sie war übrigens vollschlank.

Apropos. Der nun verstorbene Maler Hermann Nitsch war Floridsdorfer. Dieses nicht insignifikante Detail fehlte in den meisten Nachrufen. Überall las man von Mistelbach und Prinzendorf. Dass der freundliche Künstler aus Jedlersdorf stammte, auf der Brünnerstraße die Schule besuchte und von seinen Freunden „Happi“ genannt wurde, hat man verschwiegen. Ebenso, dass er ursprünglich Radrennfahrer werden wollte.

Gut, dass wir das jetzt auch besprochen haben.