Kolumnen

Warum ich fürs Hausbauen einen Paartherapeuten reserviert habe

Als ich in die Volksschule ging, bauten meine Eltern ein Haus. In meiner Familie bedeutet Hausbauen weder, sich ein Musterhaus auszusuchen, noch einer Baufirma Wünsche aufzutragen, sondern sich die Hände schmutzig zu machen. Wir Kinder „durften“ helfen, bekamen aber auch die Streitereien, Verletzungen und den Stress aller Häuslebauer mit, der aus zu viel Arbeit und zu wenig Geld entsteht.

Glasklar erinnere ich mich, wie meine Mutter eines Tages durch den provisorischen Boden des Obergeschosses brach und viele Meter in die Tiefe stürzte. Eine Bataillon ihrer Schutzengel hatte Dienst, denn sie landete unverletzt in der Dämmwolle. Kaum aufgestanden, namelte sie meinen Vater, wie ich es zuvor noch nie erlebt hatte. Sie gab ihm die Schuld daran, dass sie fast gestorben wäre. Als wir später in das Haus einzogen, dankte ich dem Universum, dass meine Eltern noch verheiratet waren, und schwor mir, niemals selbst zu bauen.

Zwanzig Jahre sind seither vergangen. Und nun schreibe ich diese Zeilen nicht auf meinem schönen, sauberen Schreibtisch, sondern auf einem ähnlich provisorischen Baustellentisch wie dem, auf dem ich vier Jahre lang meine Volksschulhausübungen machte. Der Dottore Amore und ich sanieren ein altes Häuschen am Stadtrand. Es ist eine gewaltige Baustelle, aber ich versuche, meine Kindheitstraumata fruchtbar zu machen. Ich habe zweihundert unserer schönsten Pärchenfotos ausgedruckt, um uns, wenn die zu erwartenden, aber nicht zu erahnenden Probleme kommen, daran zu erinnern, dass wir uns lieb haben.

Zur Sicherheit habe ich vorab in zwei Monaten einen Termin beim Paartherapeuten reserviert. Positiv denken war gestern. Baustellen sind dazu da, ihre Bauherrinnen zu überraschen. Ich rechne damit, dass schiefgeht, was schiefgehen kann. Sollte dem nicht so sein, wäre ich wirklich überrascht. Und zwar angenehm.

vea.kaiser@kurier.at