Kolumnen

Umlaufbahnen

Berechnungen zeigen: Die Welt geht nicht unter, nicht jetzt. Der Komet kommt zwar fast so überraschend wie die Pandemie – auch Schweifstern Neowise wurde erst kurz vor seinem Eintreffen entdeckt. Aber der derzeit am Nachthimmel sichtbare Komet respektiert die Abstandsregeln und kommt der Erde nicht näher als 100 Millionen Kilometer. Das sind dann doch einige Babyelefanten, anhand derer sich berechnen lässt, dass die Welt nicht untergehen wird.

Deutlich weniger berechenbar: das Virus. Kein Mathematiker kann die Corona-Umlaufbahn berechnen, daher weiß niemand, wann und wo das Virus Cluster bilden oder mutieren wird. Und schon wird Kritik laut, es gebe keinen "nachhaltigen Plan" für den Winter – für Schule, Sport, Kultur, Nachtclubs, Ballsaison...

Die Sorgen sind nachvollziehbar. Aber würde heute jemand einen "nachhaltigen Plan" für November oder Dezember 2020 vorlegen, er wäre augenblicklich als Scharlatan entlarvt. Denn selbst ein Komet aus den Tiefen des Alls ist berechenbarer als das Coronavirus. Niemand kann im Angesicht einer Pandemie ernstgemeinte, nachhaltige Pläne schmieden. Aber in einer Welt, in der das ganze Leben, außer vielleicht dem Geburts- und Todeszeitpunkt, planbar ist, wird Unberechenbarkeit als Zumutung, als politisches Versagen erlebt.