"ÜberLeben": Sturm und viel Klang
Von Guido Tartarotti
In meiner Heimatstadt passiert: nichts.
Das war nicht immer so. Sie ist eine Schulstadt, es gibt bei uns besonders viele Schulen. Als ich noch Schüler war, pulsierte hier das Leben. Es gab Lokale, Discos, Bars, Partys. Mittlerweile schläft die Stadt. Die Schüler von damals sind erwachsen oder sogar alt geworden.
Aber manchmal tut sich doch etwas. Zum Beispiel unlängst: Die Aktion nannte sich „Sturm und Klang“. In der ganzen Stadt gab es Konzerte, man bezahlte einmal für ein Ticket und wanderte von Schauplatz zu Schauplatz.
Das Konzert von „Frau Thomas und Herr Martin“, das neue Projekt von Conchita Wurst, war rettungslos überlaufen. Also gingen wir zum Auftritt von Robert Stadlober in die Galerie Arcade.
In einem winzigen Raum stand der Schauspieler und Musiker, die Gitarre umgehängt, begleitet von einem Ziehharmonikaspieler und brüllte, heulte, flüsterte die Worte von Kurt Tucholsky in die Welt, während er dabei tanzte, seinen Körper im Rhythmus drehte, auf den Zehenspitzen stand. In der Galerie war es mucksmäuschenstill, so sehr faszinierte diese Performance. Dass man dabei nicht jedes Wort verstehen konnte, machte fast gar nichts.
Dann zogen wir weiter in die wunderbare gotische Spitalkirche. Dort gastierte ein mir bis dahin völlig unbekannter Musiker namens „Doppelfinger“. Hinter diesem Pseudonym steht der oberösterreichische Gitarrist und Sänger Clemens Bäre. Seine Lieder sind wunderbare musikalische Streicheleinheiten hart an der Grenze der Stille. Sein Auftritt in der farbig beleuchteten Kirche hatte etwas Mystisches, dem man sich kaum entziehen konnte.
Suchen Sie „Doppelfinger“ auf Spotify, wenn Sie mir nicht glauben!
Dass der Auftritt von Garish, auf den wir uns so gefreut hatten, dann ein wenig fad war, haben wir verschmerzt. Schön war es, die Stadt so am Leben zu sehen.