"ÜberLeben": Spitzwein ist nicht verboten
Von Guido Tartarotti
Als ich 17 Jahre alt war, habe ich als Stallbursche in einem Reitstall gearbeitet. Der Reitstall wurde geleitet von meinem Vater. Ich lernte damals viele interessante Dinge, etwa einen Traktor mit Anhänger rückwärts in eine Scheune zu fahren. Oder Heuballen so zu stapeln, dass das entstandene Heugebäude nicht umfällt. Und natürlich Ställe auszumisten und Pferde zu striegeln. Damals lernte ich auch, Pferde zu hassen. Sie bissen und schlugen aus, manche von ihnen konnten sogar seitlich ausschlagen, während man sie striegelte. Ich fand auch die Besitzer und Besitzerinnen der Pferde mühsam, manche von ihnen behandelten ihre Tiere wie Kinder.
Ich hatte damals sogar ein eigenes Pferd, einen Haflinger, den mir meine Stiefmutter zur Verfügung stellte. Der Haflinger war ein freundliches Tier, das mich selten abwarf und nie ausschlug, weder hinten noch seitlich. Aber ich fand das Reiten so dermaßen langweilig, dass ich den Haflinger bald meiner Stiefmutter zurückgab. Ich habe nie verstanden, warum es reizvoll sein soll, bei M anzutraben oder bei G einen großen Kreis zu drehen.
Im Sommer arbeiteten wir am „Feld der Ehre“, wie es mein Vater ausdrückte. Das bedeutete, hinter einem Lkw über abgeerntete Felder zu gehen und Strohballen auf die Ladefläche zu wuchten. Eine heiße, staubige und sehr unangenehme Arbeit.
Nach der Arbeit gingen wir meistens in ein Wirtshaus in Breitenfurt und tranken Bier. Einer meiner Arbeitskollegen war ein gebürtiger Türke, er hieß M. und war ein stolzer, gläubiger Moslem. Nach dem „Feld der Ehre“ bestellte sich M. im Wirtshaus einen weißen Spritzer. Ich sagte zu ihm: „Aber M., als Moslem darfst du doch keinen Alkohol trinken!“ M. lächelte und antwortete: „Allah hat verboten Wein, Allah hat nicht verboten Spritzwein.“
So habe ich einiges gelernt, in diesem heißen Sommer in den Achtziger-Jahren.