"ÜberLeben": Kletscherpunsch
Von Guido Tartarotti
Auf dem Weihnachtsmarkt in Mödling wird „Kletscherpunsch“ angeboten. Immerhin weiß ich jetzt, warum es das Gletschersterben gibt. Zuerst werden die Gletscher falsch geschrieben, danach geschlachtet und zu Punsch verarbeitet.
Nicht nur deshalb liebe ich den Weihnachtsmarkt. Er ist ganz klein, umfasst vielleicht fünf Punschhütten und ein winziges Ringelspiel. Meine Freundin ist sich nicht zu blöd, sich auf das lila Pferd zu setzen und mit den Kindern eine Runde zu drehen. Ein Kind spielt mit seiner Mutter Verstecken, versteckt sich hinter einem Laternenmast und glaubt tatsächlich, dort unsichtbar zu sein, was das Vorrecht der Kinder ist. Eine junge Frau mit rosa Haaren hält laut Vorträge über Selbsterfahrungsgruppen, schüttet dabei Jagatee in sich hinein und wird immer trauriger. Ein Hund, der aussieht wie ein Putzfetzen, frisst einen zertretenen Kartoffelpuffer vom Boden. Aus einem scheppernden Lautsprecher tönt abwechselnd „Last Christmas“ und „Feliz navidad“, ein alter Mann tanzt dazu, und es riecht nach Weihnachten.
Raclettebrot
Ein paar Tage später fahren wir mit der Badner Bahn nach Wien, und schon die Fahrt fühlt sich weihnachtlich an. Die Badner Bahn erinnert mich immer an meine Kindheit, sie nimmt sich Zeit für die Fahrt, und man kann wunderbar Menschen beobachten. Irgendwann fährt sie an der Hinterseite eines traurigen Bordells vorbei, und die Leuchtreklame hat tatsächlich etwas Weihnachtliches an sich.
Im ersten Bezirk gehen wir an einer Nobelboutique vorbei, in der Auslage hängt ein aberwitzig schiaches Kleid, es sieht aus, als habe es jemand eigenmündig aus dem alten Küchenvorhang seiner Großmutter herausgebissen. Das Kleid kostet 14.300 Euro.
Auf der Freyung kaufen wir ein Raclettebrot. Es kostet ein bisschen weniger als das Kleid und ist doch wesentlich schöner.
Guido Tartarottis Kabarettprogramm „Guitar Solo – Der Letzte dreht das Licht ab“ ist am 16. Jänner in der Kulisse Wien und am 27. Jänner im Theater am Alsergrund zu sehen.