Kolumnen

"ÜberLeben": Die Löcher und der Käse

Die Stimmung in dem Wirtshaussaal irgendwo im Mostviertel ist auf halbem Weg zwischen freudig erregt und Auffahrunfall, einige schreien „Juhuhuiii!“, andere brüllen beim Trinken „Zammzammzamm!“, einer trägt beim Tanzen einen Sepplhut, stolpert übers Buffet und stürzt in den Leberkäse.

Die Bier-Bar wird schneller leer getrunken, als die Kellnerin nachliefern kann, das heißt, sie muss ein Bier bringen, damit keines da ist.

Mit einem Wort: Das Hochzeitsfest läuft auf höchster noch zulässiger Betriebstemperatur. Der DJ spielt ausschließlich Gabalier und Melissa Naschenweng, immer abwechselnd, als er es einmal mit Status Quo versucht, ist die Tanzfläche sofort leer.

Ich drücke mich verängstigt in eine Ecke und versuche, wie eine Zimmerpalme auszusehen. Das nützt mir gar nichts, ich werde entdeckt und in die „Polonaise Blankenese“ eingegliedert, wobei ich verzweifelt bemüht bin, niemanden zu berühren und von niemandem berührt zu werden. Aussichtslos, schließlich fallen hier die Löcher aus dem Käse, und niemand sammelt sie ein.

Als endlich die Braut entführt wird, bleibe ich als einziger zurück. Plötzlich ist der Lärm verschwunden, vielleicht in ein Loch im Käse gefallen. Ich setze mich auf die Terrasse, trinke einen Radler und rauche eine Zigarette. Die Sonne geht hinter einem Baum unter, der Baum nickt mir freundlich zu, ein Weizenfeld wiegt sich golden, als sei es seiner Attraktivität bewusst, im Abendwind. Und es ist so herrlich still.

Nach einer Stunde kehrt die Hochzeitsgesellschaft zurück, eine Welle von Krach vor sich herschiebend. Bei diversen Spielen wurde literweise Wein konsumiert. Einer wankt auf mich zu und lallt: „Du hoitst uns olle fia blede Bauern, gö?“ Ich antworte höflich: Nein, keinesfalls. Und gehe weg, bevor es hier Watschen regnet.

Und ehrlich: Es war eine schöne Hochzeit. Alle anderen sind anders, nur ich bin es nicht. Schade eigentlich.