Kolumnen/Über den Tellerrand

Gummistiefel hier, Skischuhe dort

Es war für viele Menschen eine Dreckswoche. Ich fühle als einer, der einen Klosterneuburger Sommergarten samt Häuschen etwa zwanzig Mal vom Hochwassergatsch befreit hat, sehr mit. Allerdings ging es bei uns nie um die Existenz, nach dem Schaufeln fuhren wir nach Hause und duschten. Wo jetzt Menschen ihr Leben aus dem Schlamm im Wohnzimmer rausbutteln müssen, ist das Leid ein anderes.

Apropos anders: Es ist eine schöne Ironie des grausamen Lebens, dass wir so statt (wie geplant) geschliffenen Politfloskeln in den Nachrichten bodenständige Bürgermeister und Feuerwehrchefs hörten. Der Wahlkampf war pausiert und damit auch das oft hohle Reden über das „Große und Ganze“. Egal, welche Parteibrille man sich gerne aufsetzt, Politik leidet zunehmend am Unkonkreten. Hauptsache, es klingt gut – am schönsten sieht man das an Zahlen, irgendwer sagt „drei Milliarden“, wer anderer „zehn“, noch einer „fünfzehn“, als ob das ähnlich viel wäre. Genauso unkonkret bei Themen, ob Bildung, Umwelt, Migration: einer sagt „kein Problem“, eine sieht „Herausforderungen“, einer „Katastrophen“, eine die „Bankrotterklärung“. Über ein und dieselbe Sache. Auch die Lösungsansätze sind nur Slogans, bloß keine differenzierten Maßnahmen, das verkauft sich nicht.

Da war wohltuend, nun in Interviews jemand sagen zu hören, wie irgendein Saubach in irgendeinem Dorf gesichert wird. Echtes Problem, echte Lösung. Und dass der Jemand auch mal antwortet: „Ich weiß es nicht, jetzt schauen wir mal, wie viel es noch regnet“. Ich weiß es nicht ist so ein schöner Satz und so selten in der Politik.

Entschuldigung für den Politologie-Exkurs, kommen wir zum Reisen. Denn das hat durchaus miteinander zu tun: Wo uns einerorts das Jahrhundertmillionentausend-Hochwasser niederstreckt, wurde andernorts der Stubaier Gletscher überraschend doch schon am 20. September geöffnet: „Aufgrund der reichlichen Schneefälle in den letzten Tagen können Wintersportfans heuer schon sehr früh ein erstes Skivergnügen erleben.“ Jaja, das hängt alles durchaus zusammen, leider.

Wahrscheinlich müssen auch wir Reisende uns in gewisser Weise renaturieren. Also „wieder mit der Natur“ leben. Ski fahren, wenn es schneit. So wie wir Gatsch graben, wenn er liegt, wo wir unser Haus gebaut haben.