Raab geht essen: Aufg’wärmte Supp’n
Von Thomas Raab
Herzlich Willkommen, letztmalig 2019 – und bitte seien Sie mir nicht gram: Die folgenden Zeilen werden kein Jahresrückblick. Derartiges ist meine Sache nicht. Was soll das auch bringen, diverse alte Suppen aufzukochen und uns genau jene Geschichten wieder und wieder unters Naserl zu reiben, die uns 1. ohnedies das ganze Jahr schon gewaltig den Magen umgedreht haben und 2. dermaßen ausgeschlachtet wurden, wie sonst nur der Ochs im Glas, oder die letzte Bundespräsidentenwahl? Wie oft war das nochmal? Wüssten Sie es noch? Bisserl schad um die Zeit oder das Papier, so ein Jahresrückblick. Gut, neulich hat sich die ZiB 2 etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Ich wollt’ mir grad eine Lindt Les Grandes Milch Haselnuss 150g aufreißen, da beginnt der Moderator einen amtlichen investigativen Journalisten der Süddeutschen Zeitung mimen zu wollen, spielt der SPÖ Parteivorsitzenden einen heimlichen Mitschnitt der SPÖ Mitgliederversammlung vor und stellt sie verhörartig vor vollendete Tatsachen. Das war ein bisserl, als würde sich jemand auf ein Stockbett stellen und uns den Stratosphärensprung zeigen wollen. Maximal mit Landung aufs Kopferl wäre dann zumindest das Ergebnis vergleichbar. Anzuerkennen sei die löbliche Idee, einmal anders auf Ibiza zurückblicken zu wollen. Aber so? Da sollte man es vielleicht besser bleiben lassen. So wie ich dann die Tafel Schokolade. Ohnedies schlecht für die Linie. Also ein Schnapserl. Gut für den Magen.
Meine Güte, in welchen Zeiten wir leben! Aktuell sind es Zeiten die es eigentlich gar nicht gibt, denn die Spanne zwischen dem 24.12. und 31.12. wird als „Zwischen den Tagen“ bezeichnet, also außerhalb des messbaren Bereiches. Und gut ist das, weil von messbaren Bereichen, sprich Kilogramm, will ja grad ohnedies keiner etwas wissen. Folglich lassen Sie mich zum Jahresende über eine „aufgewärmte Suppe“ berichten, die jede Zeile wert und obendrein der Silvester Imbiss schlechthin ist. Serviert wird sie in einem kulinarischen Fixpunkt Wiens, einer wahren Institution, und das völlig zurecht. Der Gastgarten mit seinen alten Nussbäumen: Eine Grünoase. Das Lokal selbst bodenständig, gemütlich und doch elegant und allein der Name ein Gedicht. Das Glacis Beisl. Wien wie es leibt und lebt.
Wortherkunft Beisl zwar aus dem tschechischen „pajzl“, sprich Kneipe oder Spelunke, für mich aber eine Mischung aus „Bei“ (weil Beisammensein) und „sl“, weil was soll man auch sonst noch groß sagen können, nach ein paar guten Glaserln Wein. Alles auf Top Niveau zu haben im Glacis Beisl. Dazu die unverfälschte Wiener Küche. Passt wunderbar als Jahresrückblick 2019: Gebratene Blunzn auf Sauerkraut, dazu Salzerdapfel / Krautfleckerl mit grünem Salat / Grammelknödel. Für mich jedoch die absolute Sensation hier ist das Bio-Rinds-Gulasch mit Kaisersemmel. Es zergeht auf der Zunge, und was die Gabel nicht schafft, wischt mir mein Kaisersemmerl auf, ratzeputz, wie die kommenden zwei Tage dieses Jahr 2019. Ab dann heißt es Blick nach vorn. Auf der Zunge soll es Ihnen zergehen, das kommende 2020, wohl munden, und wenn Sie eines Tages ang’fressen sind, dann hoffentlich nur kulinarisch. In diesem Sinne: Ein herzliches Prosit! (besonders gut mit: Fräulein Rosé von Döbling – Weingut Mayer am Pfarrplatz)
Glacis Beisl
Museumsquartier, Zugang Breite Gasse 4, 1070 Wien, glacisbeisl.at, Tel. 01/526 56 60
geöffnet täglich 11 bis 2 Uhr (Küche 12–23 Uhr)