Kolumnen

Paaradox: Über Beutel und Ball

SIE

Heute ist mir nach Philosophieren: Wir alle hinterlassen auf unserem Weg durch das Leben  Spuren, wie der Vogel im Schnee, das Reh im Tann,  der Elefant im Porzellanladen. Womit wir beim Mann nebenan  wären – und seinem ökologischen Fußabdruck auf dem  Planeten „Ehe“. Nur so: Wo er einmal war, bleibt was – unübersehbar. Wie ein Rüde, der sein Revier markiert:  Duftmarke hier, Duftmarke da. 

Versteckte Symbolik

Etwa in Form eines leeren Teehäferls, in dem ein eingetrockneter Beutel hängt und das er mir Tag für Tag auf unserem  Esstisch hinterlässt und ich Tag für Tag wegräumen darf. Warum nur? Es muss irgendeine verborgene Symbolik sein, weil  die Strecke vom Tisch zum Geschirrspüler ja nicht in die Kategorie „Weitwanderweg für Geübte“ fällt. Es handelt sich um vier Schritte, die er wandern müsste, um das  Häferl an den Ort seiner Bestimmung zu tragen. Aber nein.  Da steht es, Minuten, Stunden, und – ging’s nach ihm  –  Tage, Jahre, Jahrhunderte. Wäre der Bisamberg ein Vulkan  und würde morgen ausbrechen, hieße es  in den Chroniken: Die Lava überraschte die Menschen beim Frühstück. Dazu ein berührendes Foto, auf dem  das Mann-nebenan-Häferl plus Beutel versteinert auf dem Tisch steht. Vermutlich  ist die Häferl-Hinterlassenschaft aber seine Art, zu zeigen, dass er immer wieder gerne heimkommt und nie daran denken würde, den ganzen Ehekrimskrams für immer hinter sich zu lassen. Das Häferl  – eine Liebesbotschaft an mich: Schatz, komme wieder, harre aus. So rede ich mir das ein, freu’ mich und fliege täglich vom Tisch zum Geschirrspüler. Also sprach Euripides: Liebe ist von allen Krankheiten noch die gesündeste. Na dann. 

Paaradox NEU: 22. 2.,   Danubium; 1. + 2. 3., Wilheringerhof; 12. 3. Schwechat, Felmayerscheune; 18. 3. Rabenhof

paaradox.at

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ER

Nach sehr vielen gemeinsamen Jahren gibt es auch sehr viele Anblicke, an die man sich gewöhnt hat. Ich sehe die offene Zahnpastatube neben dem Waschbecken, ich sehe den mobilen Heizkörper unter dem Schreibtisch, ich sehe bunte Zetterln auf dem Kühlschrank ... und ich könnte mir stets aufs Neue denken: Hach, meine Gaby!Tue ich aber nicht, weil ich es in Wahrheit eh nicht mehr sehe. Im Unterschied zur leibhaftigen Gaby, die mir seit längerer Zeit in sonderbaren Posen begegnet. Ich betrete den Raum und sehe sie auf einem Bein in tiefer Hocke stehend, das andere Bein ist orthopädisch höchst fragwürdig abgewinkelt, die Arme vor dem Körper offenbaren sich in einer Art Gebetshaltung. Ich vermute, dass ich durchs bloße Hinschauen mehr Schmerzen habe als gnä Yogaqueen in ihrem meditativen Paralleluniversum. Es folgen viele andere erstaunliche Verrenkungen, von denen sie behauptet, sie würden jene innere Balance garantieren, um ein Leben mit mir auszuhalten. Aber das ist sicher nur ein Witz.

Unnötiger Ball

Am Ende ihrer Sessions, die sie sich via Video von einem Männlein, das offensichtlich gelernt hat, ein Leben ohne Wirbelsäule zu führen, vorführen lässt, rekelt sie sich auf dem Boden. Und zwar auf einem sogenannten Faszienball. Das ist jene  steinharte, schwarze Therapie-Kugel, die mich wie nichts sonst durch den Alltag begleitet, weil sie ständig vor meinen Füßen herumliegt, sich auf dem Sofa in meinen Rücken oder im Bett in mein Ohr bohrt. „Von allen Bällen, die ich kenne, ist das der unnötigste“, sage ich. „Ahnungsloser, es tät dir auch nicht schaden, damit zu trainieren“, sagt sie. Aber das ist sicher nur der nächste Witz. 

Solo „Abend mit einem Mannsbild“: 25. 1. Puchkirchen, 18. 2. Wien (Studio Akzent)

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