Paaradox: Sie da! Er dort!
Sie
Die Stille ist seltsam. Alles, was ich höre, ist mein Magenknurren, das Tapsen des Hundes und das Knacksen meiner Gelenke, wenn ich einen Socken aufhebe, den Gusti verschleppt hat. Der Mann nebenan ist verreist, der Samstag ist komisch. Denn normalerweise ist an diesem Tag alles so arrangiert, dass er Punkt 15.30 h im Sofa versinken kann, um von dort aus dieses Bundesliga-Gebrülle zu verfolgen.
Gequälte Sportreporter
Das ist das, wo gefühlte 20 Fußballspiele parallel übertragen werden und einander 20 Sportkommentatoren ein akustisches Match liefern: von Torchance in Düsseldorf! bis Elfmeter in Salzburg!. Wo ich mich als emotional eher Unbeteiligte frage, warum erwachsene Männer dabei so klingen, als würden sie von Mama mit dem Teppichpracker geschlagen. Dabei hat einfach nur jemand fast ein Tor geschossen. Das Problem: Fast alle zwei Minuten schießt jemand fast ein Tor. Daher muss ich jeden Samstag mit Sportkommentatoren verbringen, die wirken, als hätten sie einen Nervenzusammenbruch oder ein böses Aua. Nicht gut für meinen Gemütszustand, weil mir mein Beschützerin-Instinkt zuflüstert: Gaby, mach was, die sind arm, die brauchen dringend Hilfe, einen Druckverband und Mund zu Mund-Beatmung! Ich kompensiere den Stress mit Ersatzhandlungen, etwa Kuchenbacken. Das führt erst wieder zu Problemen, denn das Aufschlagen von Butter, Zucker und Eiern empfindet der Mann nebenan als Seelenfoul. Daher fragt er mich, ob ich den Kuchenteig nicht im Bad oder im Schlafzimmer mixen könne. Aber heute? Nichts dergleichen. Niemand da, Gaby allein zu Hause. Ich glaube, ich muss jetzt kurz einmal schauen, wie es in Düsseldorf steht.
PAARADOX NEU: „Schatzi, geht’s noch?“ am 1., 12. & 19. 5. Rabenhof, 23. 5, Stadtgalerie Mödling. Alle Termine: paaradox.at
Er
Die Stille ist seltsam. Alles, was ich höre, ist das entfernte Rauschen des Meeres, die gelegentliche WhatsApp-Pingelei und mein eigenes Seufzen, wenn in der Mini-Bar keine Schokolade zu finden ist. Gnä Kuhn ist daheim, der Samstag ist komisch. Denn normalerweise ist das erste, was ich nach den morgendlichen Ich-will-raus-Eskapaden des Herrn Gustav vernehme, der obligate Fragenkatalog der Liebsten: „Wie mach’mas heute mit dem Bäcker? Wie mach’mas heute mit der Hundeschule? Wie mach’mas heute mit dem Einkaufen? Wie mach’mas heute mit dem Laub im Garten?“ Meine Frau mag es, wenn der Tag bereits unmittelbar nach dem Heben der Augenlider eine präzise Einteilung erfährt. Und sie mag es, den Anschein von Wahloptionen zu erwecken. Obwohl ein gut trainierter Ehemann natürlich genau weiß, dass ein „Wie mach’mas?“ lediglich ein Code ist für „Ich bin der Meinung, du solltest heute frisches Brot holen, den Gusti Slalom laufen lassen, durch den Supermarkt irren und die Blätter aus den Beeten rechen.“ Weil: Alles andere (was auch immer) macht eh sie.
Papierberg
Im fremden Land aber höre ich kein Planungsstakkato, spiele kein Erledigungs-Pingpong und sehe kein Augenrollen, weil ich für zwei Stunden in die Welt der Fußball-Bundesliga eintauche. Statt in den stets wachsenden Papierberg mit den vielen Bescheiden, Rechnungen und Notizen, „die sich
bitteschön auch nicht von selbst ordnen.“ Aber heute? Nichts dergleichen. Niemand da, Michael allein in weiter Ferne.
Ich glaube, ich muss jetzt kurz einmal schauen, ob ich im
Hotelgarten ein paar Frühlingsblumen einsetzen kann.
Solo „Abend mit einem Mannsbild“: 18. 5. Gmunden, 21. 5. Wien (CasaNova), 12. 6. Wien (Studio Akzent)