Paaradox: Kleider machen Eheleute
SIE
Selbstverständlich weiß ich, wie ich den Mann nebenan verwirren kann. Etwa mit einer Frage, gleich zum Frühstück: Hast du gehört, dass der Pullunder sein modisches Comeback feiert? Es ist schwierig, seinen Blick im Moment der Fragestellung zu beschreiben – irgendwo zwischen empört und verständnislos. Er braucht dann auch einige Sekunden, um etwas zu sagen. Meist fängt es mit Äh an und endet mit wos?, woraus dann einer seiner berühmten Zwei-Wort-Sätze entsteht. Also: Äh wos?, was heißt: Bist du irre, was geht mich das an? Eine Variation wäre: Aha, interessant!, was heißt: Interessiert mich Nüsse! oder Hm, ja?!, was heißt: Red einfach nicht weiter und beschäftige dich still!
Duran–Duran-Stil
Dennoch beantworte ich sein liebevolles Äh, wos?, indem ich ihn an seinen Kleiderschrank erinnere. In dem kugelt nämlich noch ein neongrüner Pullunder aus Jugendjahren herum. Und ein XXL-Sweater im 1980er-Look sowie eine Lederjacke im Stil der Popband „Duran Duran“. Ich vermute, irgendwo steht auch noch ein Tiegel Haargel „extrahart“, obwohl ihm dazu die Frisur fehlt. Wer weiß, vielleicht spielt er heimlich noch damit. Gerne würde ich den Krempel entsorgen, aber dann sagt er immer: Vielleicht wird das ja noch einmal modern. Dass er sich dabei anhört, wie meine Oma, die sich von gar nichts trennen wollte, weil man ja alles irgendwann noch einmal brauchen würde, streitet er ab. Und entgegnet messerscharf: Hm, ja? Noch irgendwas, was du mir mitteilen willst? Nein, Schatz, gar nix. Oder vielleicht doch: Pullunder sind wieder modern. Euer Moment ist gekommen.
Paaradox neu: „Schatzi, geht’s noch?“: 23. und 31. 1., 24. 2. im Rabenhof. 14. 2., Rothneusiedlerhof. 22. 2., Danubium Tulln. Alle Termine: paaradox.at
eMail: gabriele.kuhn@kurier.at
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ER
Nur um das modische Bild abzurunden. Während ich meine karge Freizeit in den ersten Tagen des Jahres gerne damit verbringe, Fußballspiele und Serien zu schauen, Vanillekipferln zu verdrücken, und Junghund Gustav auf unseren Spaziergängen zu beobachten, wie er vom Wind aufgewirbelte Blätter jagt, pflegt meine Frau eine andere Leidenschaft: Sie räumt die Kleiderkästen in Wohnung und Keller auf, aus, ein und um. Ich habe nie begriffen, welcher Mission sie dabei folgt, ich weiß nur, dass sie diese Tätigkeit verlässlich mit den immer gleichen Sätzen kommentiert: „Das gehört gemacht“, „Irgendwer muss es ja machen“ und „Könntest du auch einmal machen.“
Siegerlächeln
Das einzige, was mir nach ihrer regelmäßigen Inszenierung einer angeblich unverzichtbaren Neuordnung bleibt, ist die Gewissheit, dass ich fortan noch ein bisserl weniger Platz für meine Sachen haben werde. Was in Anbetracht einer 90:10-Verteilung gelegentlich dazu führt, dass ich vorsichtige Proteste formuliere. Aber auf solche „Fix-nicht“-Einwände ist gnä Kuhn freilich bestens vorbereitet, immerhin trainiert sie seit vielen Jahren das Pulverisieren meiner Argumente. Und so hält sie mir mit einer Art Siegerlächeln Kleidungsstücke vor die Nase, die ich lange nicht getragen habe. Um zu dokumentieren, dass ich dankbar für jedes Fach sein müsste. Dass ich im Gegenzug nach Sekunden des Stöberns eine silberglitzernde Bluse mit Schulterpolstern finde, die der Liebsten die Denver-Clan-Aura von Krystle Carrington verleihen würde, ignoriert sie. „Das ist etwas ganz anderes“, sagt sie. „Eh“, sage ich. Und ziehe den neongrünen Pullunder an. Justament.
Solo „Abend mit einem Mannsbild“: 13. 1. Wien (CasaNova). 25. 1. Puchkirchen. 18. 2. Wien (Akzent). 8. 3. Brunn.
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