Kolumnen

Liebeserklärung an die Langsame

Irgendwo habe ich gelesen, dass Supermarkt-Mitarbeiter danach beurteilt werden, wie schnell sie Waren über den Scanner ziehen können. Der Computer registriert das Warenziehtempo, und die Supermarktchefs sagen dann, aha, der Dings ist schneller als alle anderen, der kriegt zur Belohnung einen Gutschein für eine Wienerwurstsemmel mit Gurkerl oder wahlweise einmal zehn Prozent Rabatt auf Nagellackentferner.

Im Supermarkt bei mir im Wohnblock gab es einen Mitarbeiter, der konnte die Waren so schnell über den Scanner ziehen, dass das Piepen des Scanners sich anhörte wie  ein Herzmonitor eines Menschen mit akutem Vorhofflimmern in einer Ärzte-Serie. Er fetzte die Waren über den Scanner, schleuderte sie einem ins Gesicht, und während man noch bemüht war, wenigstens die größten Teile irgendwie ins Sackerl zu stopfen, brüllte er „46 Euro 27, Bankomat?!!!“ Gerade deshalb war die Schlange an seiner Kassa immer die längste, weil die Leute mit dem Einräumen nicht nachkamen. Er roch logischerweise sehr streng nach Schweiß und wurde irgendwann befördert, vermutlich ist er jetzt Scanner-Trainer in der Zentrale.

Es gibt aber auch sie: Eine ältere Mitarbeiterin, die sich nicht einmal die Mühe macht, so zu tun, als würde sie sich beeilen. Sie pflückt sich die Waren einzeln vom (bei ihr immer stillstehenden) Fließband, scannt sie einzeln händisch ein, plaudert dabei mit den Kunden und berät sie bezüglich Rabatten.  Dazwischen macht sie auch manchmal gar nichts, schaut sinnend vor sich hin, seufzt ein wenig und drückt falsche Knöpfe. Jetzt ist immer an ihrer Kassa die längste Schlange, aber es ist eine friedliche Schlange, ohne Hektik. Sich bei ihrer Kassa anzustellen, ist Ehrensache. Bei ihr kann man eine interessante Erfahrung machen: Man muss fünf Minuten länger warten – und merkt: Na und? Weder geht davon die Welt unter, noch verstirbt man augenblicklich an Zeitmangel.  Es passiert genau: nichts. Und das ist manchmal gar nicht schlecht.