Johannas Fest: Verzeihbare Gedächtnislücken
Von Johanna Zugmann
Elisabeth und Michael hatten die Einladung an die Alte Donau schon vor vier Wochen ausgesprochen. Dort haben die Gastgeber eine Kabane gemietet und eine wunderschöne Terrasse mit Oleandern, Palmen und Rosen, so groß, dass man auf ihr grillen kann und sechs Personen gemütlich verköstigen.
Mein Mann und ich standen vor der verschlossenen Kabane, von Elisabeth und Michael weit und breit keine Spur. Wir machten uns durch Rufen und Klopfen bemerkbar. Nach einigen Minuten trat der „Hausherr“ mit zerrupftem Haar im Morgenmantel vor die Tür. „Oh mein Gott, das haben wir total vergessen! Bitte gebt uns zehn Minuten“, ersuchte der 42-Jährige und bot an, zu viert auswärts essen zu gehen. „No stress!“ meinten wir, überreichten den bunten Blumenstrauß und den prickelnden Champagner und verabschiedeten uns mit den Worten „Auf ein andermal!“
Wir gingen zu zweit in ein nobles japanisches Lokal, das wir immer schon besuchen wollten. Dort kosteten wir uns durch Goldrüben-Tsukemono mit marinierter Nashi-Birne auf einer Rote- Rüben-Espuma und pulverisiertem Hon-Wasabi, Atlantik-Hummer mit Wagyu-Dotter-Schaum, gedämpfte Gyoza, konfierten Kamm vom Steinbutt, „Hida“- Wagyu-Rind mit Eierschwammerln bis Topfenmousse im Mochi-Mantel. Beim vierten Gang fiel uns auf, dass auch wir etwas vergessen hatten: Es war unser Hochzeitstag! Nach dem 9-Gänge-Menü mit großer Sakebegleitung gingen wir höchst zufrieden und ziemlich beschwingt heim. Drei Tage später trudelte eine Einladung auf Büttenpapier ein, mit der flehentlichen Bitte um Verzeihung. – Kein Thema, eine gute Freundschaft hält das schon aus!