Fabelhafte welt: Nur nicht erwachsen
Von Vea Kaiser
Vea Kaiser über sommerliche Turbulenzen
Als Kind fragte ich mich Sommer für Sommer, warum das Freibad nette Buben in Halbwahnsinnige mit suizidalen Tendenzen verwandelt. Ging man (egal, ob Pommes oder Comic in der Hand) zu nahe am Wasser, spritzten sie los. Stand man am Beckenrand, nahmen sie Anlauf, um dich hineinzuschmeißen, und kaum dass ein Mädchen die Rutsche bestieg, fetzten sie ihm wie die Jagdhunde nach. Im Becken selbst war Getümpelt-Werden noch das geringste Übel. Fast alle meine männlichen Freunde können zudem Freibad-Kriegsverletzungen vorweisen, weil sie dort beinahe ihr Leben verloren haben. Mein Freund Clemens wurde aus der Rutsche geschleudert, mein Freund Alex reanimiert, und dass meinem Dottore Amore ein Schleimbeutel im linken Ellbogen fehlt, liegt ebenfalls an dieser seltsamen Wirkung chlorhaltigen Wassers auf das andere Geschlecht. Ich dachte, das würde aufhören, wenn sie erwachsen werden. Doch heuer hab ich erstmals eine Saisonkarte, und jeden Mittag beobachte ich Erstaunliches: Geschniegelt und gestriegelt kommen Anzugträger aus den umliegenden Büros, um zur Abkühlung ein paar Längen zu ziehen, doch noch bevor die Badehose richtig sitzt, köpfeln sie ins Wasser, ohne Rücksicht auf das Randspringen-Verboten-Schild, geschweige denn der Frauen, die am Beckenrand Bücher lesen. Unter völliger Entfaltung ihrer Flügelspannweiten kraulen sie durchs Wasser, dass man zur Sicherheit an die Seiten flüchten muss. Und wenn sie wie ziellose Torpedos durchs Wasser schießend rückwärtsschwimmen, hilft es sowieso nur, das Becken zu verlassen. Wenn ich mich als Kind bei meiner Mama beklagte, meinte sie stets, die Freibad-Buben wollten uns Mädchen bloß beeindrucken. Was die Buben nicht schafften, schaffen die Männer, die aus ihnen wurden. Denn ja, es beeindruckt mich tatsächlich, wie vehement Mann sich dem Erwachsen-Werden verweigern kann. vea.kaiser@kurier.at