Alt, aber laut
Von Birgit Braunrath
Neulich im Wald kam mir eine freundliche Frau entgegen. Neben ihr eine unfreundliche Chihuahuadame, knurrend. Auch ich, freundlich dreinschauend, hatte neben mir eine unfreundliche Hundedame, knurrend.
Die zwei Hündinnen wollten einander offensichtlich die Meinung geigen. Wir Menschinnen wollten nur friedlich aneinander vorbeigehen. Mit etwa vier Elefanten Sicherheitsabstand gelang es uns. Die freundliche Frau zwinkerte mir dabei entschuldigend zu: „Meine ist jung und eine echte Zicke“, rief sie. Ich zwinkerte verständnisvoll zurück: „Meine ist alt und manchmal ein Grantscherb’n.“
Dann lachten wir beide. Während ich weiterging, grübelte ich, wie wohl die beiden Hündinnen ihre Frauen an der Leine charakterisiert hätten. Und ob Älterwerden darin bestehe, dass Zicken allmählich zu Grantscherb’n mutieren.
„Wozu soll ich mich aufregen?“
Daria, einst unser ungetrübter Sonnenschein, beschert uns mit fortschreitendem Alter das eine oder andere Donnerwetter. Sie wird unduldsamer und intoleranter. Aber das sagt man ja auch Menschen nach, wenn sie älter werden. Daria verweigert inzwischen jede Koexistenz mit dem Staubsauger. Sie verbellt ihn, sobald er im selben Raum auftaucht, attackiert ihn, wenn er Geräusche macht. Reviereindringlinge wie selbstfahrende Rasenmäher verfolgt sie mit Zähnefletschen, wütenden Angriffslauten und einem Bellen, dessen Lautstärke man der zarten Daria gar nicht zugetraut hätte.
Da weder Staubsauger noch Rasenmäher klein beigeben, gerät der Hund so richtig in Fahrt, was anwesende Menschen oft zu Lachsalven animiert, die Daria dann erst recht grantig machen. Seit ein paar Tagen bellt sie nun aber auch, wenn das Futter zu langsam serviert wird, die Leine zum Spazierengehen nicht schnell genug gezückt ist oder ankommende Gäste nicht umgehend Eintritt in Form von Hundekeksen zahlen.
Als meine Tante G., früher eine eher strenge, unduldsame Frau, im Alter von 82 Jahren tiefenentspannt und locker wurde, fragte ich sie, woran das denn liege. Sie sagte: „Schau, ich hab nur noch ein paar Jahre, und die genieße ich. Wozu soll ich mich ständig aufregen?“ Ich finde, Daria und ich sollten Tante G. demnächst treffen – und ein wenig übers Älterwerden reden.