Kolumnen

Der schönste Silvesterbrauch: Zettel aus dem Fenster schmeißen

Nach dem Heiligen Abend ist normalerweise auch vor Silvester. Wenn man dann gedanklich mit jedem Weihnachtsfeiertag ein weiteres Hakerl unter das Weihnachtsfest setzt und sowohl Völlegefühl als auch das Jahr langsam zu Ende gehen, mistet man innerlich schlechte Angewohnheiten aus und schreibt sich Vorsätze in die Großhirnrinde.

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Und weil heuer jener Vorsatz, den ich mit dem dicksten Edding notiere, „Reisen“ heißt, und auch, weil ich mich vor elf Jahren zu Silvester in diese Stadt verliebt habe, fällt mir ein lokaler Jahresschluss-Brauch aus Buenos Aires ein: In den Tagen vor Silvester werfen die Menschen dort ihre Kalenderblätter und altes Zettelwerk aus dem Fenster.

Buenos Aires Liebeserklärung

Das sieht auf den ersten Blick wie Mist aus, aber dann bückt man sich und sieht die handschriftlichen Notizen und malt sich aus, wer da an einem Sommersonntag um 16 Uhr einen Pedro getroffen hat und ob die beiden nun schon zusammengezogen sind. Und man hofft, dass der Notartermin an einem Montag um 9 Uhr gut gelaufen ist. Diese Zettelwirtschaft auf den Straßen Buenos Aires’ (die oft an London und öfter an Paris erinnern) beschäftigte mich stundenlang und trug gehörig dazu bei, dass ich nie wieder eine Geschichte über diese Stadt schreiben kann, die nicht in eine Liebeserklärung ausartet: italienische Pasta kombiniert mit spanischem Mittagsschlaf und französischem Chic – und alles mit Tango garniert.

So miste ich nun während der keksigen Couchtage alles aus dem geistigen Kalender, was dieses Jahr nicht zu überdauern braucht. Fällt heuer eher nicht so schwer und ist wohl bei allen ein ganz großer Zettel mit einem fetten C. drauf. Und so entsteht viel Platz für Neues. Für viele Orte und Länder ...

Vielleicht fahre ich 2021 wieder nach Buenos Aires. Und suche die Dame, die damals dort unbezahlt Straßenpfosten bemalte und mit der ich so viel gelacht habe. „Weil das so schöner ist“, hat sie gesagt. Frohes neues Jahr!

axel.halbhuber@kurier.at