Der Jüngste und die Kleinsten waren die Größten
Von Wolfgang Winheim
Kylian Mbappé, 19. Er ist der jüngste Weltmeister. Und der schnellste. Und der spendabelste: Der Franzose mit afrikanischen Wurzeln überlässt seine komplette WM-Prämie (800.000 Euro) hilfsbedürftigen Menschen. Mbappé steuerte zum trefferreichsten Finale seit 1966 ein Tor bei. Bei einer WM, die FIFA-Präsident Gianni Infantino schon vor dem unterhaltsamen Endspiel als die beste aller Zeiten bezeichnet hatte. Doch war Infantinos beste WM überhaupt eine gute?
JA, weil mit Frankreich und den zumindest ebenbürtigen Kroaten zwei Mannschaften ins Moskauer Finale kamen, die einen technisch anspruchsvollen Fußball bevorzugen.
NEIN, weil Außenseiter sich einfallslos hartnäckig vor dem eigenen Strafraum versammelten, Gruppenspiele zum Langweiler verkamen und mit einer nur auf Zufallskonter aufgebauten Maurer-Taktik Teilerfolge erreicht wurden, die Vorbildwirkung zu bekommen droht.
Verblasste Stars
JA, weil Teamwork plus reißbrettartig einstudierte neue Tricks bei Standardsituationen (aus denen in 64 Spielen 66 Tore fielen) belohnt wurden.
NEIN, weil neben den beiden Superstars Cristiano Ronaldo und Lionel Messi Ballästheten wie der Spanier Iniesta und der Brasilianer Marcelo mit ihrem frühen Abschied die WM entwerteten.
JA, weil die Organisation in vollen Pracht-Stadien klappte und Russen die Befürchtung, sie würden muffige, unfreundliche, emotionslose Gastgeber sein, kräftig widerlegten.
Verdächtige Perfektion
NEIN, weil die (mit Zensurmethoden gesteuerten) Übertragungen eine sympathisch-fröhliche Stadionstimmung vermittelten, die vergessen ließ, dass in Putins Riesenreich neben Bällen auch Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
JA, weil es – anders als in anderen Ballsportarten – auf Größe allein (zumindest in der Regierolle) nicht ankam und sich mit dem Franzosen N’Golo Kanté (1,68), dem Kroaten Luka Modric (1,72) und dem Belgier Eden Hazard (1,73) die Kleinen als Größen erwiesen.
NEIN, weil wandelnde Kleiderschränke ungestraft gnadenlos ihre Ellenbogen einsetzen durften.
JEIN, weil die Zahl der Fehlentscheidungen dank des erstmals eingesetzten Video-Beweises reduziert wurde.
NEIN, weil die FIFA-Richter auf extrem nationalistische Trainer-Äußerungen und provokante politische Gesten von Spielern mit jeweils knapp 7000 Euro Bußgeld reagierten, zehn Mal höhere Strafen aber wegen des Verwendens falscher Trinkflaschen oder Socken verhängten.
JA, weil (nicht nur beim ORF) über WM-Rekordquoten gejubelt wird und quer durch die Kickerwelt so viele Frauen wie noch nie (als Reporterprofis) mitgeredet und (als Fans) mitgeschaut haben.
NEIN, weil Schönfärber und FIFA-Boss Infantino nicht Manns genug ist, um einzusehen, dass 32 WM-Nationen bei einer Endrunde genug sind.
Verrückter Trend
Aus Geldgier wird das Starterfeld vielleicht schon 2022 im Mini-Wüstenstaat Katar und 2026 endgültig auf 48 Teams erhöht. Wenn um den WM-Titel grenzüberschreitend in drei Ländern gespielt werden wird. In den USA, Kanada u n d Mexiko. Oder wird US-Oberteamchef Donald Trump davor noch mauern lassen?