Chaos de luxe: Besonders günstige Eindrücke
Von Polly Adler
Griaß di.“ – „Griaß di.“ – „Griaß di.“ So geht das in der Endlosschleife. Beim Gang um den Altausseer See ist es eine Art Zwangsbrauch, dass man von wildfremden Menschen mit Grußformeln torpediert wird. Die, die stumm und mit starr auf den Boden gerichtetem Blick im Stechschritt an einem vorbeiziehen, demaskieren sich durch diesen Akt der Verweigerung als Tagestouristen; die notorischen Grüßer sind die „Dosigen“, also die Eingeborenen. Immer wenn ich dieses letzte Wort benutze, muss ich an den ermordeten Thronfolger Franz Ferdinand denken, der in seiner Jugend mit einem Schiff um die Welt geschickt wurde. Eine seiner Reisetagebuch-Notizen in Indonesien endete mit dem Satz: „Die Eingeborenen machen keinen besonders günstigen Eindruck.“ Das wäre ein krasses Fehlurteil bei den Altausseern. Sie vermitteln in der Regel den allergünstigsten Eindruck, da sie nahezu durchgängig so eins mit sich und ihrer Heimat sind, dass man neidisch werden könnte. Die Freundlichkeit, die sich durch den ganzen Ort zieht, ist keine so amerikanisch angestrengte, sondern authentisch und mit Bluttemperatur. Ich fürchte mich schon jetzt vor der unterschwelligen Aggressionsbereitschaft in der Bundeshauptstadt. Vor der puren Gemeinheit jener Autofahrer, die dich nicht die Spur wechseln lassen, obwohl null Zeitverlust für sie, da die Ampel vorne ohnehin auf Rot geschaltet ist. Vor den Obern, die einem nach mehrfachem Urgieren einer Bestellung noch immer mit Augenrollen gen Himmel zukläffen „I hab a nur zwa Händ'“. Vor den Kampfschreien „Abstand halten!“, aber auch vor jenen, die unter hoher Produktion von Speichel-Sprühregen Masken für definitive Beckenrandschwimmer-Accessoires halten. Bogey gab Ingrid Bergman in „Casablanca“ mit folgenden Worten frei: „Uns bleibt immer noch Paris.“ Und ich sage mir in diesen wehmütigen Momenten, „wo da Summa in die Knia geht“ (©Herr Heller): „Mir bleibt immer noch Aussee.“
Nymphen in Not“, ab 4. Oktober wieder die Kultmatinée im Wiener „Rabenhof“-Theater. polly.adler@kurier.at