Kolumnen

Caracalla-Thermen: Ziemlich laute Stille hören

Ich habe in Rom mehrere Lieblingsplätze. Einer davon ist der Petersplatz. Ich habe kein Talent zur Religiosität, aber die völlig absurde Größe dieses Ortes, von dem aus die Kirche mit zwei Kolonnaden-Reihen der Welt die Arme ausbreitet, erweckt zumindest kurz den Wunsch in mir, dieses Talent zu haben. Und weil ich ein Kindskopf bin, schau ich mir immer gerne den schmalen Streifen Boden an – ungefähr zwischen nördlichen Kolonnaden und den WC-Anlagen – von dem bis heute unklar ist, ob er zu Italien oder zum Vatikan gehört. Ich finde es lustig, dass man durch völkerrechtlich heikles Gebiet aufs Klo geht.

Mein zweiter Lieblingsplatz ist der Aventin. Dort steht eine der ältesten und schönsten Kirchen Roms, Santa Sabina, durch deren Fenster das Licht auf ganz eigentümliche Weise in den Raum fällt. Dort stehen aber vor allem viele alte Häuser und alte Bäume, es ist ein wunderbar ruhiger Ort.

Und immer, wenn ich in Rom bin, suche ich jene Ecke der Via A. Depretis in der Nähe von Santa Maria Maggiore auf, wo mehrere übereinander geklebte Plakate seit Jahren vor sich hin verwittern und dadurch ein großartiges, sehr witziges  Collage-Kunstwerk ergeben, das sich ständig verändert, und in dem ein Hängebauchschwein und der Mund von Berlusconi dominieren. Ich glaube, die Anrainer kennen mich schon, weil ich jedes Jahr dort ein Foto mache, und halten mich für milde durchgeknallt.

Mein absoluter Lieblingsort in Rom sind aber die Caracalla-Thermen auf dem Caelius. Man zahlt dort zwar acht Euro Eintritt – aber die sind es mir wert.  Es ist der ideale Platz, um zwischen Bäumen und ziemlich beeindruckenden antiken Ruinen im Gras zu liegen und nichts zu tun, in die Luft zu schauen und ziemlich laute Stille zu hören.

Ich weiß noch genau, wie ich als knapp 14-Jähriger vor 37 Jahren dort in der Wiese lag, mit dem Walkman Neil Young hörte und auf einmal spürte, die Kindheit ist vorbei, und wie herrlich ich dieses Gefühl fand.