Kaffeehaus mit Zeitlimit? In Wien kommt das einem Verfassungsbruch gleich
Der Alarm. Unlängst ließ eine Meldung in den Ö3-Nachrichten aufhorchen: Wie das bei vielen Restaurants bereits üblich ist, sollen jetzt auch in manchen Wiener Kaffeehäusern „Timeslots“ für die Tische vergeben werden, hieß es. Namentlich erwähnt wurden das Café Central und das Sacher.
Nicht nur die Stammgäste im Café Kralicek wissen, dass ein solches Ansinnen in fundamentalem Widerspruch zum Wesen des Wiener Kaffeehauses steht. Gehört es doch zu dessen wesentlichen Eigenschaften, dass Gäste ohne Zeitlimit sitzen bleiben können – auch wenn sie nur einen kleinen Braunen bestellt haben. Auf Zeit vergebene Tische im Kaffeehaus, das kommt in Wien einem Verfassungsbruch gleich. Sollte sich der VfGH dennoch für unzuständig erklären, könnte man sich immer noch an die UNESCO wenden, wo die Wiener Kaffeehauskultur als „Immaterielles Kulturerbe“ geführt wird.
Die Entwarnung. Bevor die Juristen unter den Stammgästen rechtliche Schritte einleiteten, unternahmen sie zum Glück noch einen Lokalaugenschein. Und dieser ergab, dass die Geschichte gar nicht stimmt. Im Central und im Sacher versichert man, keine Timeslots zu vergeben. Wahr ist, dass diese bei Touristen enorm beliebten Lokale stark überlaufen sind. Ein Teil der Tische ist Wochen im Voraus reserviert, für die frei verfügbaren muss man Schlange stehen. „Wir vergeben Tische nicht nur für eine Stunde“, sagt der Ober im Sacher. „Aber es kann sein, dass Sie eine Stunde auf einen Tisch warten müssen.“
Im Übrigen ist das Sacher eigentlich gar kein Kaffeehaus, eher eine Mischung aus Frühstücksraum und Konditorei. Stundenlang will dort ohnedies niemand sitzen. Aber auch die Touris im Café Central haben wenig Sitzfleisch. „Die kommen, machen ein Foto und gehen wieder“, sagt der Ober, den die Geschichte mit den Timeslots nur ein müdes Lächeln kostet. „Für die Kellner ist das ein ziemlicher Stress. Deshalb wäre uns sogar lieber, wenn die Gäste länger sitzen bleiben würden. “