Über die beste Tageszeit für den Kaffeehausbesuch
Der Allrounder. Das Café Kralicek ist der Marco Schwarz unter den Lokalen: Seine Allrounderqualitäten sind unglaublich. Das Café kann einfach alles. Man kann, logisch, auf einen Kaffee gehen, aber auch auf ein Bier. Man kann frühstücken, mittag- oder abendessen, man kann aber auch nur eine „Kleinigkeit“ bestellen.
Das Café ist das Lokal für alle Tageszeiten. Es ist der beste Ort für den ersten Kaffee, für den letzten Absacker und für alle Drinks dazwischen. Man kann sich für erste und letzte Dates verabreden, nach der Hochzeit sitzt man im Café ebenso würdig zusammen wie nach einem Begräbnis. Fußballanhänger landen nach dem Match Tisch an Tisch mit Theatergängern nach der Premiere; beide Gruppen besprechen ausführlich die gerade gesehene Aufführung, wobei der wesentliche Unterschied darin besteht, dass die Theaterfans nicht immer so genau sagen können, wie es ausgegangen ist.
Die blaue Stunde. Grundsätzlich gibt es keine schlechte Zeit für einen Café-Besuch. Aber was ist die beste? Infrage kommt etwa der Vormittag, wenn es etwas ruhiger ist und das Café hauptsächlich von Zeitungsmardern frequentiert wird, die sich systematisch durch die Tagespresse wühlen. Sehr speziell ist die Stimmung auch spätabends, wenn das Café schon recht leer ist, der Trubel, die Schmähs und die Aufregungen eines langen Tages aber noch in der Luft liegen. Die allerbeste Zeit im Café aber ist die „blaue Stunde“ am späten Nachmittag, so gegen halb sechs. In dieser Zeit kann das Café alle seine Qualitäten ausspielen, und zwar gleichzeitig.
An ihrem Stammtisch genehmigen sich Kolleginnen zwischen Büroschluss und Familienabend einen Aperol; im Extrazimmer sitzen die Senioren schon beim Abendessen; die zwei in der Loge schmusen schon seit Stunden; und die Schülerclique da drüben hat später noch was vor. Wer das Leben dieser Stadt in seiner Essenz mitkriegen will, muss um halb sechs ins Café kommen.