Kolumnen

Auch Minnie möchte Abenteuer

Babykleidung für das künftige Kind einer schwangeren Freundin besorgen sollte keine schwierige Aufgabe sein. Ist es leider doch, wenn man geschlechterneutraler Kleidung sucht. Ich finde es ja super, dass die beiden das Geschlecht ihres Babys nicht wissen möchten. Die Babymoden-Industrie leider nicht.

Was großteils in den Geschäften zu finden ist, sieht nämlich so aus: Blaues T-Shirt mit Captain Mickey Mouse, rosafarbenes T-Shirt mit Minnie Mouse. Lätzchen mit rosa Stern und der Aufschrift „Daddy’s Star“, Lätzchen mit blauer Krone und der Aufschrift „Mummy’s Prince“. Shirt mit Lederhosenträgern und dem Wort „Lausbub“, rosa-kariertes Dirndl. Und weil Farbzuteilung nach Geschlecht noch nicht reicht, werden die Kleidungsstücke auch mit unterschiedlichen Attributen verknüpft. Während Mickey die Hand Ausschau haltend waagrecht auf die Stirn gelegt hat, ist Minnie die Schleife über die Augen gerutscht. Die Botschaft: Er ist abenteuerlustig, sie auf Hilfe angewiesen.

Jetzt würde ein T-Shirt alleine nichts bewirken. Aber wenn solche Botschaften ständig von der Mode- und der Spielzeug-, der Werbe- und der Fernsehindustrie wiederholt werden, hinterlässt das Spuren. Setzt das Vorurteile in unsere Köpfe. Lässt das willkürlich festgesetzte Dinge als einzige Wahrheit erscheinen.

Am Ende entstehen Beleidigungen, wie jene, die WM-Kommentatorin Claudia Neumann ertragen musste. In denen Personen erklären, sie würden es nicht aushalten, wenn eine Frau ein Match kommentiert, weil weibliche Stimmen nicht zu Fußballmatches passen würden.

Abgesehen von: Hallo? Geht’s noch? „Normal ist, was du gewohnt bist“, sagt Tante Lydia in der US-Serie „The Handmaid’s Tale“ und trifft es damit auf den Punkt. Lasst uns also endlich eine andere Norm Realität werden lassen! Eine, in der Frauen in Sportjobs genauso willkommen sind wie Männer in der Kinderbetreuung. Eine in der Minnie Mouse auf Abenteuersuche gehen und Mickey im Prinzessinnenoutfit posieren darf.