An der Verzicht-Bar
Von Birgit Braunrath
„Verzicht ist ein Unwort“, sagt Jim Rakete, jener legendäre Fotograf, dessen erster Dokumentarfilm „Now“ gerade bei uns in die Kinos kommt. Stimmt. Aber dass der harmlose Begriff Verzicht zum neuen Pfui-Wort wurde, das hat Gründe: Zum einen politische Tonangeber, die den Begriff gezielt so einsetzen, als gingen Verelendung und Rückschritt damit einher; als hieße Verzicht, vom Mähdrescher aufs Manikürzeug und vom Sattelschlepper aufs Lastenrad umzusatteln; als gäb’s an der Verzicht-Bar des Lebens nur noch Wasser und Brot - im besten Fall.
Auf der anderen Seite die Herzeige-Asketen, die Verzicht als Extremsport betreiben und ihre Verzichtsmuskeln spielen lassen. Und dann noch jene, die für Verzichtserlebnisse paradoxerweise viel Geld ausgeben: von der exklusiven Entschlackungskur übers spirituelle Schönschweigeseminar bis zur schicken Weitwander- oder Radreise.
All die Extreme sind im Grunde verzichtbar, weil sie mehr Propaganda als Pragmatismus transportieren. Vielleicht heißt Verzicht ja schlicht, sich zu fragen, was tatsächlich wichtig ist und wegzulassen, was einen krank, übergewichtig und gestresst macht. Auf Verzichtspropaganda kann man dabei locker verzichten.