„Wo die Gerechtigkeit wohnt, da will ich hin!“
Von Heinz Wagner
Geschichte begegnet uns oft „nur“ als jene, die erzählt und überliefert ist/wird. Wie’s wirklich war? Wer weiß?! So manches wird vor allem Helden angedichtet, ihre Taten und ihr Wirken geschönt dargestellt. Andere Menschen, die Großes, vor allem Gutes getan haben, fallen nicht selten unter den Tisch der Geschichtsschreibung. Sie werden selten bis nie bekannt. Sehr oft trifft das auf Frauen zu - ob in Wissenschaft, Kunst oder auch in Legenden.
(Um-)Verteilung
Eine seit geschätzten 900 Jahren bekannte Erzählung ist die von Robin Hood. Rächer der Armen, der (Super-)Reichen in der Gegend des Sherwood Waldes einen Teil ihrer Barschaft raubte, um sie zu verteilen, also ein Held der Gerechtigkeit. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass diese Geschichte immer wieder und derzeit verstärkt erzählt wird. Immerhin berechnete der internationale Zusammenschluss verschiedener Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, Oxfam, zu Beginn dieses Jahres, dass allein 26 Milliardäre so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, so die Direktorin dieser Organisation, Winnie Byanyima, vor dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos (Schweiz).
„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier“, zitiert das Wiener Theater der Jugend Mahatma Gandhi im Programm zum jüngsten, letzten Stück dieser Saison.
Viele Robin Hoods
Also zurück zu Robin Hood, derzeit im großen Haus des Wiener Theaters der Jugend (Renaissancetheater, Neubaugasse), als flottes, trotz der Dauer von mehr als zwei Stunden kurzweiliges filmmusical-artig inszeniertes Stück. Unter seinem Namen dürften auch so manchen Legenden nach etliche Räuber aktiv gewesen sein, nicht alle als Um-Verteiler. In einigen, wenigen, Erzählungen wird übrigens die Rolle dieses Helden relativiert. Nicht nur, dass er nicht immer (alles) verteilte, was er und seine Leute erbeuteten. Auch die Rolle Marians, Gefährtin Hoods, wird in - wenigen - Geschichten viel stärker betont. Ob echt, oder nur ausgedacht, weil doch immerhin möglich, sei dahingestellt.
Starke Persönlichkeit
In der vom künstlerischen Direktor des Wiener Theaters der Jugend, Thomas Birkmeir, verfassten und inszenierten Version, wird dies, allerdings nie verkrampft, sogar zum Hauptthema. Marian, eine Lady, die mit dem Bruder des berüchtigten, ausbeuterischen Sheriffs von Nottingham (Kaj Louis Lucke spielt fast eine Karikatur eines solchen Typen), verheiratet werden. Von klein auf eine selbstbewusste Person (Larissa Aimée Breidbach in jeder Phase überzeugende Kämpferin), haut sie mit ihrer Dienerin Elfriede Elvirà de Castillo-Moriro-Degoutante (immer mit einem Schuss Humor: Karoline-Anni Reingraber) ab und will sich Hood (Jakob Elsenwenger) und den Seinen anschließen. „Wo die Gerechtigkeit wohnt, da will ich hin!“, ist ihr Motiv.
Nichts da, Frauen werden nicht geduldet, meint der Held. Gegen Ende, als er bei „Nottingham sucht den Superschützen“ verkleidet gewinnt, erkannt und vom Sheriff gefangen genommen wird, will er sich nicht einmal von Red Cap befreien lassen, doch nicht von einer Frau!?
Dann eben ganz eigenständig
Also macht Marian ihr eigenes Ding, schafft die Figur der Red Cap - in ihrer Erscheinung an gängige Robin-Hood-Bilder sehr stark angelehnt - und widmet sich tatsächlich der Umverteilung. Die haben Robin und seine Mannen längst eingestellt. Das Geld verprassen sie, um einen Maler kommen zu lassen, damit er ein Heldenbild von ihnen anfertigt. PR und Message Control ist alles, um der Mit- und Nachwelt die richtigen Bilder zu vermitteln ;)
Volk -Volker
Allerdings wird Red Cap bei der ersten Verteilung ans Volk von diesem enttäuscht., weil sich dieses nicht als dankbar, sondern eher als gierig anstellt. Apropos Volk. Das Stück beginnt den Armen, Ausgeplünderten und dem Spruch „Wir sind das Volk!“, ein Slogan aus der Zeit der Montags-Demos in der Endphase der DDR. Ein berühmtes Foto aus jener Zeit zeigt einen Demonstranten, der zwischen Tafeln mit dem genannten Spruch eine Tafel hochhält, auf der stand: „Und ich bin Volker“. Dieser Gag - Volk - Volker - wird hier doch ein bisschen zu oft wiederholt.
Mit diesem Volker (naiv-ehrlich Okan Cömert) schafft diese Robin-Hood-Fassung einen unheldenhaften kleinen großherzigen Helden, der auch mehrmals für Überraschungen sorgt.
Rap als moderne Balladen
Die Robin-Hood-legende wurde in den geschätzten 900 Jahren immer wieder besungen, oft in Balladenform. Die Theater-der-Jugend-Version greift zur modernen Form der Ballade, zum Rap - immer wieder und gar nicht anbiedernd peinlich, sondern durchaus gekonnt.
Gelungen ist auch die karge Bühne, die „nur“ durch Projektionen auf ein halbes Dutzend bewegliche Flächen in Wald, Dorf, Burg und Verlies verwandelt wird und damit die Aufmerksamkeit automatisch auf das Agieren der Schauspieler_innen lenkt.
Infos: Was? Wer? Wann? Wo?
Robin Hood
von Thomas Birkmeir
Ab 6 J., ca. 2 ½
Robin Hood: Jakob Elsenwenger
Lady Marian. Larissa Aimée Breidbach
Elfriede Elvirà de Castillo-Moriro-Degoutante: Karoline-Anni Reingraber
Volker: Okan Cömert
Prinz John / Leonardo da Vinci: Damon Zolfaghari
Bruder Tuck: Frank Engelhardt
Little John: Philipp Dornauer
Sheriff von Nottingham: Kaj Louis Lucke
Männer Robin Hoods:
Kevin: Birçan Batır
Peter / Zack: Jakob Pinter
Percy: Felix Stichmann
Errol: Maximilian Wenning
Volk, Schächer und in weiteren Rollen: Ensemble
Regie: Thomas Birkmeir
Bühne: Andreas Lungenschmid
Kostüme: Irmgard Kersting
Licht: Christian Holemy
Kampfcoach / Fechttraining: Martin Woldan
Choreografie: Birçan Batır, Kaj Louis Lucke
Dramaturgie: Brigitte Auer, Gerald Maria Bauer
Assistenz und Inspizienz: Eva Maria Gsöllpointner
Schlussprobenassistenz: Charlotte Morschhausen
Hospitanz: Lea Kern
Aufführungsrechte: Theater der Jugend, Wien
Wann & wo?
Bis 25. Juni 2019
Renaissancetheater: 1070, Neubaugasse 36
Telefon: (01) 52110-0
www.tdj.at