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Wetterleuchten, große Fragen oder Schwestern-Planet

Update 13. Jänner 2019, 22.39: Neue Fotos und Bildergalerie ergänzt.

Zumindest eine herrlich schräge Produktion einer hier noch unbekannten Gruppe wird in der kommenden Saison im Dschungel Wien zu sehen sein. Das lässt sich jetzt schon sagen, pardon schreiben. Freitagabend stellten acht verschiedene Theater- und Performance-Kollektive sowie eine Solokünstlerin so etwas wie Stück-Entwürfe vor. Die Konzepte für die neun Stückentwürfe waren schon aus 43 Einsendungen ausgewählt worden. Mehr als zwei dichte, spannende Stunden mit unterschiedlichsten Ideen für Stücke – für Kinder bzw. manche auch für Jugendliche.

Eine Jury wählte aus dem Gezeigten drei Stück-Entwürfe dieses Try Out aus. Diese drei Gruppen erhalten Unterstützung durch dramaturgisches Coaching sowie Arbeit vor Testpublikum sowie geringfügige Zuschüsse für Material und Kostüme und die Möglichkeit in den proberäumen des Dschungel Wien zu arbeiten. Bis 10. Mai 2019 haben sie Zeit rund 20-minütige Versionen zu erarbeiten. An dem genannten Abend wird die Jury eine der drei Arbeiten auswählen, die dann zu einer Vollversion eines Stücks für die kommende Saison weiterentwickelt wird.

So unterschiedlich und so stark waren die gezeigten Stückentwürfe, dass fast alle im Publikum danach erleichtert seufzten, nicht in der Jury entscheiden zu müssen, welches Drittel für die Weiterarbeit auszuwählen wäre.

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Die Ausgewählten

Zunächst einmal zu jenen drei Stückkonzepten, die nun – mit Unterstützung - weiterentwickelt werden, andere versuchen‘s hoffentlich auch auf eigene Faust.

Donna & Rosa Braber, tatsächlich Schwestern, turnen und performen in „Planet SIS“ (ab 12 Jahren) tänzerisch wild eher gegengleich als synchron über die Bühne – mal spricht die eine für die andere, dann wieder umgekehrt. Und thematisieren immer wieder das sich-vergleichen, das ja nicht nur eine geschwisterliche Angelegenheit ist.

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Schräge Technik

Zur Auswahl gesellen sich zwei mit teils ziemlich schräger Technik hantierende Stück-Konzepte für Kinder, ab 6 bzw. 5 Jahren:
Ein Mast, ein Segel, ein Ventilator und ein Schauspieler mit einem umgebauten Staubsauger als Rucksack, der Wasser sprudeln und Geräusche erzeugen soll(te). Auch wenn da in „Wetterleuchten“ (Mennerdy: Malte Andritter, Nico Franke, Hans Peters) nicht alles geklappt hat, die Anordnung des Steuermanns mit Karton-Zylinder und der tragbaren Maschine samt Schlauch und Trichter vor dem Mast und den beiden Kollegen, die mit Papierschiff und -Walen auf Stäben wild das stilisierte Schiff umkreisen, sorgt schon für so manchen Lacher.
Getoppt wird dies noch von einem Text zwischen Nonsens und versteckter Philosophie:
„Mit Schiffen kennt er sich aus, sagt man, mit fliegenden Schiffen sogar. Auf jeden Fall soll man das Meer riechen können, wenn er kommt. Manche sagen er stehle sogar das Wetter. Aber was er da tatsächlich macht, was er will oder wer er überhaupt ist, das weiß keiner so genau...“

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Kinder-Philosophie mit Analog-Technik

Apropos Philosophie: eine Reihe – von teils schon aus anderen Texten bzw. Kinderuni oder Kinder-Philosophie-Workshops bekannte Fragen wie „Wenn ich mich verschlucke, bin ich dann doppelt so schwer?“ begleiten „Die große Frage“ von Dominik Baumann, Theresa Künz, Mikki Levy-Strasser und Fiona Schreier. Die erzählten Fragen werden von schräg anmutenden Geräten begleitet, die fantasievolle Bild-Assoziationen und ziemlich schräge Töne produzieren. Da ist ein selbstgebastelter Synthesizer, der ein bisschen an einen überdimensionalen alten Elektrokontakt erinnert oder ein Episkop - eine Art Overhead-Projektor, das aber dreidimensionale Objekte und nicht nur Folien projizieren kann.

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Weitere Projekte

Ein Feuerwerk an Bewegung und frechem Witz lieferte die einzige Solokünstlerin des Abends, Johanna Nielson mit „ich bin wir“ (ab 6 Jahren) wo sie mit einem Köfferchen mit einigen Requisiten und vielen, beinahe akrobatischen, Turnübungen von einer Rolle in die nächste schlüpft, eben die Essenz des Theaters, alles sein zu können, auf die Bühne – und immer wieder nahe ans Publikum heranbringt.

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Für die selbe Altersgruppe und auch sehr tänzerisch spielte Valerie Lichtenwörther das Anti-Konsum-Stück „Es rappelt in der Kiste“. Obwohl Jana Püscher und Daniel Feik die es frei nach Julia Volmerts „Die Piraten auf dem Spielzeugmeer“ konzipiert haben, bewusst auf die Botschaft setzen, ist es nie und nimmer pädagogisch, sondern lustvolles Spiel mit Kisten, jeder Menge zerknülltem Zeitungspapier in verspielter Choreografie.

Verspielt geht auch die Gruppe mädchen*theater in „Supermodel Barbecue“ (ab 12 Jahren) die Klischees von Rollenzuschreibungen an (Performance: Meike Hedderich, Ortrun Sommerweiß, Léa Zehaf, Beauty Cutie Pie: Anne Kapsner; Musik: Nan Liu, Ortrun Sommerweiß). Über- und zugespitzt werden zuschreibungen aus der Werbung her- und aufs Korn genommen.

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Am Anfang war der Beat

Grandiose synchrone Tanzpassagen und sehr spannende Soundeffekte brachte eine „neue Theorie“ zur Entstehung des Lebens auf der Erde. Am Anfang war sozusagen der Rhythmus – „It all begins with the beat“ (ab 10). Ein- und Mehrzeller – genial wie zwei Tänzerin zu scheinbar einem Wesen verschmelzen. Cut, schneller Sprung gleich zu den Menschen, es ist ja nicht so viel Zeit. Viviane Tanzmeister, Elisa Berrod, Naima Rabinowich und Miranda Rumerstorfer (auch Konzept und Choreo) begleitet vom Schlagzeuger Raphael Schuster verdichten die Entwicklung des Lebens auf der Welt – und stellen obendrein gegen Ende noch die Frage, welchen Preis die hat.

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Ein bisschen in die Welt der Virtual Reality lassen Anja Pletikosa & Attila Antal in „Counting Sheep“ (Schaf zählen, ab 13) eintauchen. Sie spielen mit der Interaktion zwischen Live-Performance (Choreo: Dora Kokolj), Video (Vedran Senjanović) und Live-Steuerung verschiedener Lichtstimmungen über ihre Smartphones und thematisieren dabei all das auch – mit den dazugehörigen Medien.

Bildergalerie von einigen Stücken des Abends

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Eröffnet wurde der Abend mit der raumgreifendsten Performance „Um-räumen“ (ab 13). Die gesamte Probebühne durchzogen von auf den Boden geklebten weißen Linien, das Publikum verteilt auf drei Seiten an den Rändern. Akteur_innen, die sich nur auf Linien bewegen – und dies in unterschiedlichster Weise tun - bis hin zu parkour-mäßig. Der vorgegebenen Raum wird in Fragte gestellt und eben „um-geräumt“ (Konzept: Manora Auersperg; Regie & Performance: Franziska Adensamer, Manora Auersperg, Lisa Braid, Julia Herzog, Wolfgang Miksits, Patrick Morawetz, Tina Zierhofer)

www.dschungelwien.at

www.mennerdy.de

www.umraumen.wordpress.com

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