Kiku

Sprechende Handschuhe, sichtbare Musik

Elias und Julian nehmen eine Bandage nach der anderen und wickeln ihren Schulkollegen Martin damit ein. Stück für Stück wird er zu einem komplett einbandagierten Schwerverletzten, der nichts sieht und nichts hört. Während Julian Gedichte rezitiert, die auf Kriegsgeschehen hindeuten, tauchen nach und nach die Kolleg_innen aus der Neuen MittelSchule Klagenfurt-Wölfnitz – Christoph, Hannah, Jakob, Lance, Pia und Sophie auf, schleichen sich in der Hocke scheinbar ein Gewehr haltend an, spähen. Die Bewegungen und vor allem „eingefrorenen“ Standbilder sind teilweise inspiriert von Gemälden von Albin Egger-Lienz, der sich nach und nach vom Kriegsbefürworter zum Kritiker entwickelt hatte.

Grisha, Kristina und Sofia aus drei verschiedenen Schulen der russischen Stadt Kingisepp (nicht weit von St. Petersburg entfernt) begleiten das Geschehen mit Handtrommeln – entsprechend dem Rezitierten oder einfach der gespielten Situationen. Elias ergreift die Hand des einbandagierten Martin und drückt mit seinen Fingern auf dessen linke Hand. Er „lormt“ – die Form mit der Menschen, die weder sehen noch hören, Informationen vermittelt bekommen können.

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Verborgene Geschichte

Die Jugendlichen aus den beiden Städten proben hier im Studio des Theaters Spielraum zwischen Plakaten einer Ausstellung zu der es auch das umfangreiche Unterrichtsmaterial „Verborgene Geschichte – Taub – Blind – Taubblind – Kriegsinvalid 1914 – 1918“ mit vielen informativen Texten, aber auch CDs mit Musik bzw. Videos gibt.  Geprobt wird hier das Stück „Talking Gloves/Sprechende Handschuhe“ ist Teil des Festivals Visual (vormals Gehörlosentheater-Festival). Auch wenn Texte, in diesem Fall Gedichte von August Stramm, rezitiert werden und Trommelmusik gespielt wird, geht es vor allem darum, alles sichtbar zu machen – auch das Trommeln. Wobei es bei den ganz argen Schlägen durch deren Schwingungen auch zu spüren sein wird. Dieses 19. Internationale Festival will sowohl hörende als auch nicht-hörende ansprechen. Krieg und Frieden ist ein durchgängiges Thema des diesjährigen Festivals. Blindheit und Gehörlosigkeit wurde als Folge des 1. Weltkrieges ein starkes Thema. Viele waren betroffen, konnten also auch in der Zeit nach dem Krieg schwer Arbeit finden oder sich versorgen. Und dennoch ist es eine gar nicht so stark thematisierte Kriegsfolge.

Zur Einstimmung in die Situation von Menschen die nichts hören und/oder sehen veranstaltet das Festival im Vorfeld immer wieder auch Workshops, wo Kinder/Jugendliche versuchen, sich mit verbundenen Augen oder zugestöpselten Ohren orientieren zu müssen.

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Zwei Bilder einer Situation

Zwei beeindruckende, erschreckende Bilder in der Ausstellung – die hier veröffentlicht werden. Auf dem Foto des Kriegsreporters sind verwundete britische Soldaten nach einem deutschen Giftgasangriff am 10. April 1918 zu sehen, die blind oder auch taubblind sich am jeweiligen Vordermann anklammern und auf den Abmarsch warten. Der Maler John Singer Sargent hat dieselbe Situation in seinem Gemälde „Gassed“ (vergast) dargestellt – allerdings mit dem Leichenberg der getöteten Soldaten im Vordergrund.

Das Festival läuft bis 19. Mai 2018, Programm und Infos gibt es hier

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Fotos von den Proben

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