Schnurspringen und Springschnüre selber drehen
Von Heinz Wagner
Ein ganzes Dorf, das praktisch unbewohnt ist, wird regelmäßig von Besucherinnen und Besuchern bevölkert. Alles - mit Ausnahme der Eingangshalle - alte Häuser. Aber von woanders hierher „verpflanzt“. Das ist das Museumsdorf Niedersulz im Weinviertel. 80 Häuser aus anderen Gegenden dieses niederösterreichischen Viertels wurden im Laufe der vergangenen 40 Jahr an ihren Standorten fein, säuberlich wie Puzzles zerlegt und hier wieder zusammengefügt. Damit mauserte es sich zum größten Freilichtmuseum des Landes, ja vielleicht sogar darüber hinaus. Schule, Wohnhäuser, Bauernhof, Kirchen und Kapellen, Handwerksbetriebe... umfasst dieses Museumsdorf. Manchmal werden - passend zum alten Dorf - auch alte Spiele und Handwerke als Mitmachstationen angeboten. An einem solchen Tag tauchten für den Kinder-KURIER und schauTV zwei Kinder-Reporter_innen in dieses Leben ein. Und wir durften Emily Zinn (12) und Nicolas Peter Jarosch (9) mit Kameras und Mikrophonen begleiten.
Ziegel schlagen
Zunächst ging’s zur Ziegelherstellung. Weil im Weinviertel nicht besonders viel Holz wächst, haben die Menschen früh ihre Häuser aus Lehmziegel gebaut. Emily und Nicolas hockerln sich mit Sabine Huber, einer der Betreuer_innen dieser Station vor den Berg mit lehmiger Erde, fassen einige Handvoll davon in eine Kunststoffschüssel und fügen Wasser hinzu. Wie bei einer Mischung aus Sandspielen und Kuchenteig herstellen gatschen sie in der Schüssel das Gemisch und formen daraus einen festen Klumpen. Den stopfen sie nun in eine viereckige Holzform bis diese mit dem festen Gatsch ein wenig zu voll ist.
Nun wird gepresst und die Form immer wieder auf den Tisch geklopft. Bald einmal beginnt sich diese bei einem Rand zu lösen. Bevor sie den - noch ziemlich feuchten - Ziegel aus der Form schlagen, signieren sie ihn auf der Rückseite mit Zeichen ihrer Wahl und legen ihre Werke in eines Der Regale zu einem ersten Trocknen. Nun erklärt die genannte Betreuerin anhand einiger Mauerstücke hinter den Regalen verschiedene Varianten des Mauerbaus. Anfangs hatten die Menschen einfach nur Lehmklumpen übereinander geschichtet - mit dem Nachteil vieler Zwischenräume. Erst später erfanden sie die Methode des Ziegel-formens und auch, diesen Lehm mit Stroh abzudichten.
„Backen“
Vom einen „Gatsch“ zum nächsten führte der Weg in die Backstube - natürlich mit kräftigem Händewaschen dazwischen. Hier konnte allerdings gar nicht mehr so viel geknetet werden. Bäcker Karl Bauer, der seinen Job seit 45 Jahren ausübt, hatte schon in der Früh in seiner Poysdorfer Bäckerei 80 Kilo Brioche-Teig zubereitet und eingekühlt, bzw. -gefroren. Bei dieser Station bekamen/bekommen die Kinder „nur mehr“ Teig-Stücke, die sie zu unterschiedlichen Gebäcken formen oder wie einen Zopf flechten, mit Zucker bestreuen und dann geht’s ab damit in den Backofen.
Buttern
Danach stand „Butter stampfen“ auf dem Programm. Nun, gestampft wurde nicht mehr wirklich. Karina Pech, eine der Betreuer_innen hier, zeigt’s aber an einem kleinen, handlichen Modell am Tisch vor: Der Rahm der Milch wurde abgeschöpft, kam in große Holzbottiche und oben drauf wurde eine Holzplatte mit Löchern gelegt. An der Stange in der Mitte anhaltend mussten die Kinder vor rund 100 Jahren so lange auf dieser Platte fest treten bis aus der Flüssigkeit drunter Butter geworden war. Statt Stampfen wird hier geschüttelt. Die Kinder kriegen bei dieser Station ein Glas mit Schraubdeckel. In dieses schütten sie ein bisschen Schlagobers, verschließen das Glas und beginnen zu schütteln. Irgendwann wagen sie einen Blick durchs Glas und kontrollieren, ob die Masse schon von flüssigem in halbwegs festen zustand übergegangen ist. Das lässt sich beim Schütteln irgendwie auch Hören und Spüren ;)
Blinde Kuh und andere alte Kinderspiele
Weil die Kinder-Reporter_innen - neben ihren Fragen an die Begleiterin der Museumsführung, Petra Kargl und Moderationen nicht nur spielerisch arbeiten sollen/wollen - tauchen Emily und Nicolas auch ein in die Stationen mit alten Spielen. Augen mit einem Tuch verbinden und versuchen, die anderen zu fangen. Weit verbreitet ist dieses Spiel unter dem Namen „Blinde Kuh“. „Es ist gar nicht so leicht, sich zu orientieren, wenn die Augen verbunden sind“, gesteht Emily die eigene Erfahrung. „Ich bin immer in die falsche Richtung gelaufen“, schildert sie. Auch kein Kinderspiel ist für sie und Emily der Versuch, auf Holzstelzen zu gehen. Das Hüpfen mit beiden Beinen in einem Jutesack ist hingegen keine wirkliche Herausforderung. Nicolas erschwert sich diese, indem er sich dabei die Augen verbinden lässt.
Schnur springen...
Gegenüber in einem alten offenen Stadel und damit immerhin im Schatten an diesem sauheißen Frühlingstag versuchen sich die beiden - wie auch so manch andere Kinder im alten „Tempelhüpfen“. Auf dem Boden sind nummerierte Vierecke aufgezeichnet. In die muss der Spieler/die Spielerin einen Stein werfen und nach Möglichkeit - immer einbeinig hüpfend - diesen auch aufheben.
Apropos hüpfen: Hier liegen auch Springschnüre bereit, ein altes, aber wahrscheinlich immer aktuelles sportliches Spiel.
Sprungseile drehen
Springschnüre können bei einer weiteren Handwerksstation aber mit einer alten mechanischen Maschine der Seilerei Eisserer aus Amstetten selber gedreht werden, was unsere beiden Reporter_innen auch selber tun, bevor sie an- und nach rund fünf Stunden auch abschließend Körbe aus vorbereitetem Peddigrohr flechten. Emily und Nicolas haben sich beide für herzförmige Körberln entschieden.
Schule, Tiere...
Auf der Tour durchs Museumsdorf, in dem als einziger Bewohner mit Josef Geissler jener Mann lebt, der 1979 mit dem „Sammeln“ alter Häuser begonnen hatte und so alte Bauwerke vor dem Verfall rettete, schauen sich Emily und Nicolas unter anderem in der alten Schule aus Gaiselberg um. Original wieder aufgebaute enge, eher dunkle Klassenzimmer samt Rohrstaberl, mit dem Lehrer die Kinder auf die Hände schlugen, geben ein krasses Gefühl davon, dass der Spruch von der guten alten Zeit nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.
Der neueste Zugang im Museumsdorf ist ein vor Jahrzehnten geschlossener von den Erben dem Dorf vermachter Handwerksbetrieb, eine Wagnerei mit Maschinen aus unterschiedlichsten Epochen zur Reparatur von Wagenrädern.
Besonders beliebt ist bei vielen vor allem jungen Besucher_innen der Bauernhof mit streichelbaren Ziegen, aber auch Schweinen (u.a. Richard und Oskar), Hasen und den beiden Eseln Peppino und Gusti.
Anstrengend, aber cool
Anstrengend, aber auch cool fanden Emily und Nicolas den Tag in ihrer Abmoderation nachdem sie auch die selbst gefertigten Gegenstände abgeholt hatten. Die Weckerl warteten auf den baldigen Verzehr, die Ziegel müssen weiter trocknen - am besten auf schattigen Plätzen. Wenn sie direkt der Sonne ausgesetzt werden, trockenen sie zwar schnell(er), kriegen aber Risse und drohen auseinander zu fallen.
Demnächst wieder und was sonst noch
Kinderalltag anno dazumal
30. Juni 2019
10 bis 17 Uhr
Sommerferien
Basteln: Jeden Dienstag in den Sommerferien, 10 bis 17 Uhr
„Duftende Blumen und Kräuterseifen“: 2./30. Juli, 27. August 2019
„Schiff ahoi – Schiffe aus Holz bauen“: 9. Juli, 6. August 2019
„Kunterbunte Flugdrachen aus Papier“: 16. Juli, 13. August 2019
„Leuchtende Blüten und grüne Gräser – Mobile aus Salzteig“. 23. Juli, 20. August 2019
Lehmziegel schlagen: Täglich außer Dienstag in den Sommerferien
Wochentags - außer Dienstag: 11 bis 16 Uhr
Wochenende: 13 bis 17 Uhr.
Öffnungszeiten 2019
Bis 1. November
Bis 15. Oktober 2019: täglich 9.30 bis 18 Uhr
16. Oktober bis 1. November 2019: täglich 9.30 bis 17 Uhr
Museumsdorf Niedersulz
A-2224 Niedersulz 250
Telefon: (02534) 333
eMail: info@museumsdorf.at
Hier ist der Beitrag von schauTV
gedreht von Ernö Mlekov