Lachen über Selbstverliebtheiten
Von Heinz Wagner
Will eine Frau im Supermarkt eine Thunfischdose kaufen, steht ein Mann im Weg und liest intensiv und lang die Aufschrift auf einer der Dosen ...
Könnte der Beginn eines Witzes sein. Ist es in gewisser Weise. So beginnt der erste von drei Akten der Komödie (oder ist es eine Tragikomödie?) „Gebrüllt vor Lachen“ (Wild Laughing) des US-Autors Christopher Durang. Uraufgeführt vor mehr als 30 Jahren, ist das 2-Personenstück nun im Wiener Theater Akzent zu erleben. Und das im wahrsten Sinn des Wortes. Das Bühnenduo
Dagmar Bernhard (obendrein mit Songs in einer wunderbaren Stimme) und Stefano Bernardin macht die zwei Stunden (eine Pause nach dem zweiten Akt) zu einem rasanten, witzig-verspielten, liebenswürdig-verrückten Abend. Bei dem an manchen Stellen das Lachen – beabsichtigt – im Halse stecken bleibt (Regie: Hubsi Kramar).
Aneinander vorbei
Zwischen einer Stadtneurotikerin, die aus Woody Allens Universium entsprungen sein könnte, Paul Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“ und Cris Evatts „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ pendeln die Figuren dieses Stücks, die von den beiden Protagonist_innen sehr, sehr glaubhaft verkörpert werden.
Baden in der Trostlosigkeit
Also zurück zum Plott: Die Frau will eine Fischdose, kommt nicht zu einer solchen, weil er das Regal blockiert. Sie kann – oder will (?) nicht zu fragen, ob er nicht auf die Seite gehen könnte, sondern ärgert sich. Steigert sich in diesen Ärger hinein. Mehr und mehr, immer tiefer. Hass keimt auf und sie schlägt ihn auf den Kopf. Andere Szenen folgen nach demselben Muster. Beginnenden Unmut schlucken und dann mehr oder minder explodieren. In rasante Sprechdurchfall, bei dem die Figur – und ihre Darstellerin – auszutesten scheint, ob sie nicht doch nun endlich auch ihr Publikum nervt – was sie auch anspricht fegt sie mehr als eine halbe Stunde Solo über die Bühne. Hin und wieder mit ganz kurzen ruhigen Momenten tiefen Selbstmitleids. Ihr Lieblingsbuch: „Das trostlose Haus“ – das hat sie nicht gelesen, „aber der Titel“!
Ooooohhhhmmmmm oder doch nicht?
Zweiter Akt: „Kumbaya“ singend kommt der Mann zwischen den Publikumsreihen auf die Bühne. Ein Klischee-Hippie mit Haarband und buntem Hemd. Harmonie-zeremonie im Central Park, positive Schwingungen, „oooooohhmmmmm“, auch im Negativsten das Positive sehen, halbvolles statt halbleeres Glas und so weiter.
Ohne allzu viel zu verraten – aus den Vorankündigungen ist’s bekannt, irgendwie angesichts des 2-Personenstücks ohnehin auch aufgelegt – er ist der Mann, der die Aufschrift auf der Thunfischdose im Supermarkt studierte. Und daher auch sinnierte: Sie hätte doch nur fragen brauchen oder...
Verschroben-verspielt beginnen sich bei ihm doch irgendwann Zweifel an seiner religiösen Spiritualität einzunisten, stärker und tiefgreifender zu werden. Der Autor Christopher Durang, der eine katholische Schule besucht hat, setzt sich auch in anderen seiner Werke mit Kindesmissbrauch, der Kirche und Homosexualität auseinander.
Aufeinandertreffen
Es liegt auf der Hand: Im dritten Akt – nach der Pause – treffen die beiden aufeinander. Die Thunfischdosen-Szene kurz und in mindestens einem halben Dutzend Varianten – und doch endet sie immer gewalttätig – nun auch mitunter von seiner Seite. Oder sind es doch nur die Träume der beiden Protagonist_innen und treffen sie gar nicht im wirklichen Leben aufeinander? Stehen sie beider dafür, gar nicht mehr real miteinander kommunizieren zu können? Oder überhaupt nur einen anderen Menschen wahrzunehmen? Vorwegnahme der später aufgekommenen Ich-AG?!
Überhöhung oder Abbild
Zentral im dritten Akt ist die Persiflage einer TV-Talk-Show. Oder ist es gar keine Persiflage? Wie in so manchen Bereichen überholt die Realität immer wieder so manch ihrer ironisch gemeinten Überhöhungen. Wobei dies immer wieder neu wirkt und doch oft schon vom Prinzip her da war, kommt das Stück doch mit nur wenigen aktuellen Anspielungen aus und basiert auf der Übersetzung des Originals. Der Autor reagierte unter anderem auf des damaligen Papstes Aussage, Aids wäre eine Strafe Gottes speziell für Homosexuelle wäre. Und damit habe er Tausende Jahre gewartet, obwohl es Homosexualität ja auch schon davor gegeben habe, lässt er den Luftballon des Pseudoarguments platzen.
Atmen ;)
Aufs Korn nimmt das Stück auch die – bis heute noch stark zugenommene – Flut von „Ratgebern“: So sagt die Frau ans Publikum gewandt: „Ich geb Ihnen einen Schlüssel zur Existenz: Immer atmen. Das ist die Grundlage des Lebens, das ist im Grunde die Grundlage. Wenn Sie nicht atmen, sterben Sie.“ ;)
Infos: Was? Wer? Wann? Wo?
Gebrüllt vor Lachen
(Laughing Wild)
Komödie in 3 Teilen von Christopher Durang
mit:
Stefano Bernardin (Mann)
Dagmar Bernhard (Frau)
Regie: Hubsi Kramar
Bühne: Markus List
Kostüme: Caterina Czepek
Produktionsleitung: Alexandra Reisinger
S. Fischer Verlag
Deutsch von Peter Stephan Jungk
Eine Produktion des Theater Akzent
Wann & wo?
14./ 23./ 29. November 2018
1./ 7. Dezember 2018
Jeweils 19.30 Uhr
Theater Akzent
1040 Wien, Theresianumgasse 18
Telefon (01) 501 65-13306
www.akzent.at