Auf „Safari“ - Entdeckung eigenen Verhaltens und Anstands-Show
Von Heinz Wagner
Im Festival gab’s/gibt’s ein eigenes Festival, genannt spleen*trieb. Das zeichnet sich durch drei Elemente aus: vor allem Grazer Nachwuchskünstler_innen sind in Aktion, vielfach sind es Crossover-Projekte verschiedener theatraler Formen (Tanz, Musik, Schauspiel, Performance…) und sie finden großteils outdoor oder zumindest an und in ungewöhnlichen Orten statt.
Der Kinder-KURIER konnte zwei der sechs „Triebe“ besuchen: „Safari“ und „Linkswalzertraining“
Sonderfahrt in die "Wildnis"
„Safari“ heißt eine Sonderfahrt mit dem Bus vom TaO!, dem Theater am Ortweinplatz, weg. Angekündigt ist sie als Expedition in die wilden Gründe am Rande der Stadt, zwischen bürgerlicher Rohheit und bäuerlichem Glanz. Samt Ankündigung, auf „Ureinwohner“ zu treffen.
Natürlich ist bald klar, dass die Magistra Doctorix Hofstätter (Vera Posch), die mit Fernglas Ausschau nach Mitreisenden hält, eine Schauspielerin ist. Ebenso wie der „Ureinwohner“ (Lenny: Amun Greiss), der auf der Fahrt nach St. Peter, den 8. Bezirk von Graz, bei einer Bus-Umsteige-Station zusteigt. Sowohl der Bezirk und noch viel mehr der Ureinwohner wird in kolonialistischer Manier von der Reiseleiterin behandelt, die auch ankündigt, ihr Buch sowie Andenken seinen käuflich zu erwerben. Doch nicht nur sie, auch manche Fahrgäste kippen ins Klischeeverhalten, indem sie dem Schauspieler doch tatsächlich durch die wuscheligen Haare fahren.
Anschluss
Irgendwie erinnert die einstündige Aktion – mit einer „vergessenen“ Fahrgästin (Mascha Roth) beim einzigen Ausstieg für ein Gruppenfoto und letztlich einem heftigen Konflikt zwischen „forschender“ Reiseleiterin und „Ureinwohner“ an den grandiosen Film „Das Fest des Huhnes“ von Walter Wippersberg (Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts). Der drehte viel zu lange und noch immer verbreitetes herkömmliches Verhalten um, indem er afrikanische „Forscher“ in gleicher Manier durch Oberösterreich touren ließ, um die Sitte und Gebräuche der Einheimischen zu ergründen…
Die historischen und zahlenmäßigen Fakten auf dieser „Safari“ zur schlussendlich – unfreiwilligen – Erforschung eigenen (touristischen) Verhalten allerdings sind echt, auch jene, dass St. Peter und andere Orte 1938 unter Hitler an Graz „angeschlossen“ wurden.
„Linkswalzertraining“: Humorvolle „Anstands“-Show
Respekt, Anstand, Etikette – wichtige Werte. Da stimmen wohl so ziemlich viele zu. Mitunter jedoch werden vor allem Etiketten so formalisiert, dass sie eher Zwangsjacken gleichen oder anachronistisch werden oder aus vorgegebener Höflichkeit zu Unehrlichkeit werden. „Linkswalzertraining“ im Rahmen von spleen*trieb spielte damit und nahm Teile des Theaterbetriebs ein bisschen auf die Schaufel.
Über die Bühne ging das Seminar „Regeln des Anstands und gegenseitigen Respekts im Umgang mit Theatermenschen und im Nachgespräch“ im Anton-Afritsch-Kindergarten – am Wochenende. Der Kindergarten liegt in einem fast an Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt erinnernden ein bisschen verwilderten Garten. Wer von den Teilnehmer_innen aufs Klo musste, hört dort schon Auszüge aus einem buch eines bekannten österreichischen Benimm-„Papstes“. Das Werk selber liegt auf dem Boden der Häusl-Kabine.
Gruppenfindung
Die „Seminar-Leiterinnen“ teilen das Publikum in vier – farblich gekennzeichnete – Gruppen ein. Es geht zunächst um „Gruppenfindung“ und – weil Marketing und PR immer wichtiger zu werden scheinen – um das Finden eines griffigen Gruppen-Namens. Der wird von einer dreiköpfigen Jury bewertet. Die eine steckt lego-Würfel aufeinander, der zweite Holzstöckchen in Styropor-Platten und die jüngste Jurorin, eine junge Jugendliche, gelochte Bausteine auf Metallstäbe.
Scheren im Kopf
Abhandlungen – samt Streit – über die richtige Kleidung im und rund ums Theater folgen ebenso wie Regeln zum Smalltalk nach einer Theateraufführung. Conclusio: Sag ja nie die Wahrheit, was du dir über das gesehene Stück denkst. Check erst, ob nicht wer von den Gesprächspartner_innen vielleicht verwand- und/oder freundschaftliche Connections zu den Theaterleuten hat usw.
Kurze Szenen, die sich darum drehen, dass kritisch denkende Geister doch allzu oft in vorauseilendem Gehorsam ihre Ideen gar nicht verwirklichen schließen sich an. Bevor es zur Verteilung von Zertifikaten kommt – und der Ankündigung einer Masterclass „zielorientierte Nutzung von Graubereichen im bestehenden Regelwerk“.
Safari
Bus-Sonderfahrt ins „Grazer Wildland bei Alt-Tremendorf“
Regie: Vera Posch
Konzept: Emma Posch, Vera Posch, Felix Schalk
Skript: Felix Schalk
Spiel (abwechselnd): Amun Greiss, Janos Lasselsberger, Cassandra Narr, Michelle Pirker, Vera Posch, Mascha Roth, Milica Vujadinović, Marvin Zimmermann
Outside Eye: Trixi Brunschko
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Linkswalzertraining
Regeln des Anstands und gegenseitigen Respekts im Umgang mit Theatermenschen und im Nachgespräch
Produktionsleitung & Regie: Antonia Orendi und Jana Rabofsky
Spiel: Corina A. Hein, Delia Maili, Noah Marschnig, Aylin Maviengin, Moritz Ostanek, Gerald Pichler, Ute Stampfer, Lillith Völkel
Outside Eye: Vera Kopfauf