Wachsende Kluft bei Lebenserwartung: Arme sterben früher
Von Ernst Mauritz
„Es beginnt bei den Kindern – und es ist ein unheilvoller Kreislauf: Armut macht krank – und Krankheit wiederum macht Armut.“ Diese Aussage von Ernst Tatzer, Obmann der Politischen Kindermedizin in Österreich, belegt auch eine neue Studie aus Großbritannien: Der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen den wohlhabendsten und den ärmsten Gesellschaftsschichten wird immer größer. Die gesellschaftlich am besten gestellten Frauen lebten 2001 um 6,1 Jahre länger als Frauen aus der finanziell schwächsten Schicht – 2016 betrug der Unterschied in der durchschnittlichen Lebenserwartung zwischen arm und reich hingegen bereits 7,9 Jahre.
Bei den Männern nahm die Kluft in der Lebenserwartung zwar nicht so deutlich zu – von 9,0 auf 9,7 Jahre –, dafür ist der Unterschied insgesamt größer. Die Untersuchung basiert auf den Daten der Todesfälle zwischen 2001 und 2016. Sie wurde vom Imperial College London durchgeführt und in der Zeitschrift Lancet Public Health publiziert.
„Sehr beunruhigend“
Hauptautor Prof. Majid Ezzati dazu: „Dass die Lebenserwartung der ärmsten Bevölkerungsgruppen zurückgeht, ist sehr beunruhigend und zeigt, dass wir die Menschen, die am verletzlichsten sind, zurücklassen.“
Laut Armutskonferenz leben in Österreich mehr als 80.000 Kinder in Familien, die Mindestsicherung erhalten. „Die Gefahr des sozialen Ausschlusses zeigt sich in den geringeren Möglichkeiten Freunde einzuladen, Feste zu feiern und an kostenpflichtigen Schulaktivitäten teilzunehmen“, sagt der Sozialexperte Martin Schenk. Mindestsicherungsbezieher mit Kindern leben häufiger in schlechten Wohnverhältnissen: „Desolates Wohnen wirkt sich besonders hemmend auf Bildungschancen und die Gesundheit der Kinder aus“ – Feuchtigkeit, Fäulnis, Überbelag und dunkle Räume sind einige der Ursachen. Tatzer: „Man muss alles tun, um diesen Kreislauf von Armut und Krankheit auf der Ebene der Kinder zu durchbrechen.“